Klima­freund­liche Kühe

Die Rinder­hal­tung ist aufgrund ihres Beitrags zum Klima­wandel verstärkt unter Beob­ach­tung. Doch widrige Umstände spornen zu Inno­va­tion an und die Land­wirt­schafts­for­schung stellt sich der Heraus­for­de­rung, indem sie Methan-hemmende Futter­er­gän­zungs­mittel entwi­ckelt.

Wer hätte vor zehn oder zwanzig Jahren gedacht, dass Kuhrülpser einmal ein ganz gewöhn­li­ches Nach­rich­ten­thema werden würden? Aber auf die Diskus­sion um Treib­haus­gas­emis­sionen aus der Tier­hal­tung bleibt in unter­schied­li­chen Ausfor­mungen ein Thema – viel­leicht sogar mehr in der Allge­mein­heit als in der land­wirt­schaft­li­chen Gemein­schaft.

Aber ob sich Land­wirte, die Rind­fleisch oder Milch­pro­dukte herstellen, an der Diskus­sion betei­ligen oder nicht: Der Druck, den Klima­wandel durch Einspa­rung von Emis­sionen aufzu­halten, steigt und allzu oft wird mit dem Finger auf die Methoden der Land­wirte gezeigt. Die welt­weite Tier­hal­tung ist laut der Ernäh­rungs- und Land­wirt­schafts­or­ga­ni­sa­tion der Vereinten Nationen angeb­lich für 15 % aller Treib­hau­se­mis­sionen verant­wort­lich und mit einer Kuhpo­pu­la­tion, die bis 2050 von den heutigen 1,5 Milli­arden auf 2,5 Milli­arden anwachsen soll, wird dieser Anteil noch steigen.

Aber konti­nu­ier­liche Inno­va­tionen ebnen den Weg für eine klima­freund­li­chere Nutz­tier­hal­tung mit einfach anzu­wen­denden Tech­niken und Produkten.Futtermittelzusätze, die dabei helfen, Methan­emis­sionen im Darm zu redu­zieren oder die Effi­zienz zu erhöhen, bieten Lösungs­an­sätze dar. Diese reichen von Hefe­kul­turen über Seetang­ex­trakte bis hin zu äthe­ri­schen Ölen und Kräuter- oder Fruch­t­iso­laten.

Matthew Smith

Hefe

Das älteste Produkt dieser Art wurde 1983 ange­meldet und ist eine Hefe­kultur, die die Produk­ti­vität von Rindern für die Fleisch- und Milch­pro­duk­tion stei­gern soll. Die Hefe­kultur Yea-Sacc basiert auf dem Stamm 1026 der Sacch­aro­myces cere­vi­siae und beein­flusst die Leis­tung dadurch, dass sie Fluk­tua­tionen des pH-Werts im Pansen redu­ziert und dadurch die Verdauung und Nähr­stoff­nut­zung fördert sowie die Futter­auf­nahme erhöht.

Mit über 35 Jahren Forschung im Rücken sorgt sie bewie­se­ner­maßen für eine höhere Milch­pro­duk­tion, erhält die Gesund­heit der Rinder auch bei höherer Produk­tion, fördert die Verdauung sowie die Eiweiß­ver­sor­gung und erhöht die Stick­stoff­auf­nahme. Sie kann in verschie­denen Darrei­chungs­formen an Milch- und Fleisch­rinder verfüt­tert werden.Yea-Sacc von Alltech und wurde 2019 vom Carbon Trust vali­diert. Die Vali­die­rung beruht auf Studien von Alltech zur erhöhten Leis­tung, die zu einer Vermin­de­rung der Austoß­raten von Methan und Stick­stoff in Höhe von 6 % führt.

Yea-Sacc war ursprüng­lich nur zur Leis­tungs­stei­ge­rung gedacht war und die redu­zierten Methan­emis­sionen sind nur ein Neben­ef­fekt. Trotzdem sollte jedes Produkt einen posi­tiven Effekt auf die Kuh haben und nicht nur zur Vermin­de­rung der Methan­pro­duk­tion gedacht sein, so Matthew Smith, Vize­prä­si­dent von Alltech. „Die Produ­zenten müssen die zusätz­li­chen Kosten abwägen, die durch den Einsatz von Produkten in der Fütte­rung entstehen. Es muss sich also für sie lohnen.“ Er fügt hinzu, dass es auch nicht zu nega­tiven Auswir­kungen auf die Tiere kommen darf. „Die Wissen­schaft liefert ausge­zeich­nete Arbeit dabei, dies sicher­zu­stellen.“

Wir können extrem viel durch gradu­elle Verbes­se­rungen errei­chen. Tech­no­logie ist kein Allheil­mittel, aber sie ermög­licht es uns, in kleinen Schritten voran­zu­gehen.

Matthew Smith

Knob­lauch

Ein natür­li­ches Ergän­zungs­mittel, das aus Knob­lauch­be­stand­teilen und Flavo­no­iden, die aus Zitrus­pflanzen gewonnen werden, besteht, soll eben­falls das ausge­sto­ßene Methan in Labor­ex­pe­ri­menten um bis zu 38 % redu­zieren. Dies kann aller­dings in Abhän­gig­keit von Züch­tung, Alter, Haltungs­be­din­gungen und Rationen vari­ieren.

Wie funk­tio­niert dieses Ergän­zungs­mittel? Es hemmt die Akti­vität der Archaeen im Pansen, die für die Methan­pro­duk­tion verant­wort­lich sind, und redu­ziert so die Emis­sionen, ohne einen nega­tiven Effekt auf die Bakte­rien zu haben, die für die Futter­ver­dauung zuständig sind.

Das Ergän­zungs­mittel, das unter dem Namen Mootral bekannt ist, wurde von der Tier­ärzt­liche Hoch­schule Hannover in einer Pansen­si­mu­la­tion und in zwei land­wirt­schaft­li­chen Betrieben in Groß­bri­tan­nien mit Holstein-Frie­sian- und Jersey-Rindern getestet. Die Simu­la­tion zeigte eine fast voll­stän­dige Hemmung der Methan­pro­duk­tion. Während­dessen wurde in den Betrieben eine Senkung der Emis­sionen von durch­schnitt­lich 30 % mit einer Ertrags­stei­ge­rung von 3-5 % ohne nega­tive Auswir­kungen auf die Tier­ge­sund­heit oder die Milch­qua­lität beob­achtet. 2021 rich­tete Mootral ein Programm für den CO2-Emis­si­ons­handel ein, dessen Ziel es ist, den Land­wirten das Ergän­zungs­mittel durch Zerti­fi­kat­käufe umsonst zur Verfü­gung zustellen.

Diese Pellets von Mootral können der Kuhfüt­te­rung zuge­setzt werden.

Pflan­zen­ex­trakte

Ein weiteres Produkt, das aus Pflan­zen­ex­trakten entwi­ckelt wurde, war ursprüng­lich dafür gedacht, die Verdauung der Rinder zu verbes­sern, um die Milch­pro­duk­tion zu erhöhen. „Die Senkung der produ­zierten Methan­menge ist ein Neben­ef­fekt.“, erklärt Kurt Schaller, Mitbe­gründer und Direktor von Agolin. Es wird geschätzt, dass das Produkt Methan­emis­sionen um 0,5 m³ pro Tier und pro Tag senkt und die Kühe außerdem 4 % mehr Energie aus ihrem Futter ziehen.

Ein Gramm des Zusatzes in der tägli­chen Fütte­rungs­ra­tion kann nach Versuchs­er­geb­nissen die Methan­pro­duk­tion einer Kuh um 10-20 % senken. In Skan­di­na­vien hatte das Unter­nehmen so einen Zulauf, dass in Norwegen nun die Hälfte aller Kühe mit Agolin gefüt­tert werden.

Die Senkung der produ­zierten Methan­menge ist ein Neben­ef­fekt.

Kurt Schaller

Agolin wurde 2018 vom Carbon Trust eben­falls vali­diert und ist dafür zerti­fi­ziert, Methan­emis­sionen von Wieder­käuern zu redu­zieren. „Ehrlich­keit ist ein Wert, den wir hoch­halten; wir stellen keine Behaup­tungen auf, die wir nicht quan­ti­fi­zieren und wissen­schaft­lich beweisen können“, so Schal­lers abschlie­ßende Worte.

Seetang

Andere Produkte, die auf Seetang basieren, befinden sich zwar noch in der Forschungs- und Entwick­lungs­phase, zeigen jedoch viel­ver­spre­chende Ergeb­nisse. Aspa­rag­opsis taxi­formis ist ein roter Seetang, von dem gesagt wird, dass er die Methan­emis­sionen von Rindern zu mehr als 80 % redu­ziert, wenn er in kleinen Mengen verfüt­tert wird. Eine Studie zu dem Seetang, die im „Journal of Cleaner Produc­tion“ im Juni 2020 veröf­fent­licht wurde, fand heraus, dass seine Verfüt­te­rung an Rinder keine nega­tiven Auswir­kungen auf die tägliche Futter­auf­nahme, die Stoff­wech­sel­ef­fi­zienz, die Pansen­funk­tion und die Fleisch­qua­lität hatte und sogar die Gewichts­zu­nahme verbes­serte.

Eine andere Studie der Univer­sität Wagen­ingen zeigte jedoch, dass das Bromo­form aus dem Seetang in die Milch abge­geben wird, was darauf hinweist, dass es keine prak­ti­kable Option für Milch­kühe darstellen könnte. Wie arbeitet der Seetang? Im normalen Verdau­ungs­pro­zess wird das Futter durch Wasser­stoff (H2) und Kohlen­di­oxid (CO2) fermen­tiert. Diese beiden Stoffe verbinden sich dabei im Magen zu Methan (CH4), welches wiederum von der Kuh durch Rülpsen ausge­stoßen wird. Doch wenn mit Seetang gefüt­tert wird, wird die Verbin­dung von H2 und C verhin­dert und somit die CH4-Produk­tion verrin­gert.

Thomas Hafner, CEO von Mootral, hofft durch den Verkauf von CO2 Zerti­fi­katen, Land­wirten die Zusatz­stoffe unent­gelt­lich zur Verfü­gung stellen zu können.

Der Seetang wird sowohl von Symbrosia als auch Blue Ocean Barns auf Hawaii erforscht und zu einem kommer­zi­ellen Produkt entwi­ckelt. Die Tests von Symbrosia haben ergeben, dass eine Einbin­dung in Höhe von 0,5 % in die tägliche Futter­menge einer Kuh zu einer Methan­re­duk­tion von 80 % führen könnte. Das Problem mit dem Seetang ist, dass eine Ernte aus der Natur starke nega­tive ökolo­gi­sche Auswir­kungen hätte, daher muss er mit Hilfe von Aqua­kultur in einem gänz­lich neuen System ange­baut werden.

Wird es den Land­wirten also durch Inno­va­tion gelingen, die Methan­her­aus­for­de­rung zu meis­tern? „Ich glaube daran, dass die Wissen­schaft Wege finden wird“, sagt Smith von Alltech. „Wir können extrem viel durch gradu­elle Verbes­se­rungen errei­chen. Tech­no­logie ist kein Allheil­mittel, aber sie ermög­licht es uns, in kleinen Schritten voran­zu­gehen.“