Frau Joschko, seit 1986 erforschen Sie den Boden. Warum machen Sie das?
Mein Großvater war Landwirt, mein Vater Arzt. Für meine Arbeit kombiniere ich beide Berufsfelder und untersuche nun Bodenproben mit Hilfe der Röntgen-Computer-Tomographie (CT). Ist doch eigentlich logisch, dass man den Boden am besten analysieren kann, wenn man richtig in ihn hineinschaut. So wie man auch den Menschen durchleuchtet, um zu wissen, was ihm fehlt. Den Praxisbezug in der landwirtschaftlichen Forschung finde ich wichtig und das Bodengefüge hat für die landwirtschaftliche Praxis eine sehr große Bedeutung.
Was genau ist das Bodengefüge?
Das Gefüge ist eine räumliche Anordnung der festen Bodenbestandteile – organisch und mineralisch – und der dazwischen dazwischen liegenden Hohlräume. Es sieht von Boden zu Boden unterschiedlich aus und gibt Hinweise auf seine Fruchtbarkeit und Gesundheit. Denn wir können sehen, wie der Boden beschaffen ist: die Körnung, die Aggregierung, die Porenverteilung, die Anordnung der Pflanzenreste, der Humusgehalt, die Durchwurzelung und die Vielfalt der Bodenlebewesen.
Das Bodengefüge gibt Hinweise auf Fruchtbarkeit und Gesundheit.
Dr. Monika Joschko
Wie schauen Sie in den Boden hinein?
Für das DIWELA-Projekt haben wir mit einem Team von Forschern seit 2015 Bodenproben aus 9 Standorten in Deutschland und weiteren 12 Ländern Europas genommen. Diese untersuchten wir dann mit einem CT, wodurch wir die Proben virtuell „in Scheiben“ schnitten. Für verlässliche Ergebnisse war es wichtig, dass die Proben ungestört sind. Das bedeutet, die Schichten und die Struktur sollten genauso erhalten bleiben, wie sie unter der Erde waren. Dafür entnahmen wir eine sogenannte Bodensäule.
Klingt aufwendig!
Ist es aber nicht. Wir haben sogar eine Methode entwickelt, mit der Landwirte europaweit diese Acker-Probe selbst entnehmen können. Man muss allerdings aufpassen, dass die Probe beim Versand nicht erschüttert oder anderweitig gestört wird. Es wäre gut, wenn die Proben zukünftig direkt in den Ländern untersucht werden könnten.
Arbeiten Sie mit den Landwirten zusammen?
Ja natürlich! Unsere Partner sind Praxisbetriebe. Da ist zum Beispiel die Komturei Lietzen in Brandenburg mit 1.100 ha, mit denen wir schon seit 1996 zusammenarbeiten. Im Praxisversuch Lietzen vergleichen wir sandigen Boden bei konventioneller und reduzierter nicht-wendender Bodenbearbeitung an verschiedenen Landschaftspositionen. Am besten ist es, die Probe nach der Ernte zu nehmen, denn dann ist der Boden in der Regel lange unbearbeitet. Die Ergebnisse waren eindeutig. Bei reduzierter Bodenbearbeitung fanden wir ein gutes Krümelgefüge und zahlreiche Regenwurmgänge, bei wendender Pflugbearbeitung nicht. Die Untersuchungen von Tonboden im Oderbruch haben uns auch überrascht. Wir nahmen Proben von mutmaßlich verdichtetem Boden, aus der Fahrspur und verglichen ihn mit weniger verdichtetem Boden aus dem Ackern. Trotz Belastung war die Struktur einwandfrei. Für den Zustand gibt es eben viele Gründe. In diesem Fall: Toniger Boden und langjährige pfluglose Bearbeitung mit Kurzscheibenegge.
Wie können die Landwirte ihr Bodengefüge beeinflussen?
Zwar können sie an Körnung und Klima in einer Region nichts ändern, dafür können sie aber das unterstützen, was im Boden von ganz allein passiert. Die Art der Bewirtschaftung spielt eine große Rolle für die Struktur des Bodens. Die Wahl und Reihenfolge der Früchte und Zwischenfrüchte ebenso wie die mechanische Bodenbearbeitung. Eine Reduzierung in der Fläche und in der Tiefe wirkt sich stets positiv aus.
Streifensaat ist gut fürs Gefüge
Dr. Monika Joschko
Streifensaat zum Beispiel bietet gute Möglichkeiten, zu variieren und nur ein Drittel des Bodens pro Saison zu bearbeiten. Im Zwischenraum tummeln sich dann die Regenwürmer und andere Lebewesen – das ist gut fürs Gefüge. Auch können Landwirte durch Streifensaat bei gleichbleibenden oder sogar höheren Erträgen Betriebsmittel einsparen.
Zu welchem Ergebnis sind Sie beim Forschungsprojekt DIWELA gekommen?
Die Ergebnisse unserer Analysen können zur Optimierung der Bewirtschaftung beitragen, wenn Landwirte die Bewirtschaftung stärker auf das Bodengefüge abstimmen. Wir haben einen „Gefügeatlas“ für die Managementoptionen bei verschiedenen Bodenarten erstellt, die Ergebnisse bilden eine gute Grundlage für die weitere Forschung.
Parzelle 1
Bodenprobe
Parallel zur Röntgen-CT wurde an Parzellen unter reduzierter Bodenbearbeitung die Feldgefügeansprache (FGA) durchgeführt, eine Methode zur Gefügebeurteilung im Feld.
Röntgen-CT Schichtbild
Ergebnis
Parzelle mit 4 % Ton
maximaler Regenwurmbesatz
24 Tiere/m²
Regenwurmgänge im CT : Score 1
Parzelle 2
Grube
Dabei werden sechs Gefügeindikatoren geprüft: Bodenoberfläche, Durchwurzelung, Makro-/Bioporen, Verfestigung, organische Reststoffe, Farbe und Geruch.
Röntgen-CT Schichtbild
Ergebnis
Parzelle mit 6 % Ton
maximaler Regenwurmbesatz
96 Tiere/m²
Regenwurmgänge im CT : Score 2
Parzelle 3
Bodenoberfläche
Es gab eine gute Übereinstimmung zwischen der Röntgen-CT und der FGA, vor allem im Hinblick auf Bioporen als Ergebnis der Regenwurmaktivität.
Röntgen-CT Schichtbild
Ergebnis
Parzelle mit 10 % Ton
maximaler Regenwurmbesatz
124 Tiere/m²
Regenwurmgänge im CT : Score 5
Fazit: Das CT-Bodengefüge ist ein guter Indikator für den Regenwurmbesatz.
Was ist ihr Ratschlag für Landwirte und Lohnunternehmer?
Je besser der Landwirt seinen Boden kennt, umso eher kann er die für ihn günstigste Bearbeitung ausmachen. Direktsaat zum Beispiel bewährt sich nicht überall – aber in einigen Regionen schon. So eignen sich zum Beispiel sandige Böden, ohne ausgeprägte Struktur des Bodengefüges, nicht für die Direktsaat, weil diese im Laufe der Jahre zur Dichtlagerung neigen.
Bei schweren Böden, welche bei der Aussaat sehr trocken oder nass sein können, ist der Einfluss auf die Funktionalität der eingesetzten technischen Systeme äußerst schwankend, so dass damit oft keine Ertragsstabilität erreicht werden kann. Bei Böden in Trockengebieten fehlt häufig die Feuchtigkeit für ein aktives Bodenleben. Wichtig ist, den Boden so wenig wie möglich zu bearbeiten und durch Zwischenfrüchte oder organisches Material der Vorfrucht bedeckt zu halten. Dann kann er Hitze und Starkregen besser aushalten und es kann sich Bodenleben entwickeln.
DIWELA-Projekt
(Entwicklung eines Diagnosewerkzeugs für den Landwirt zur Steigerung der Bodenfruchtbarkeit). Durchgeführt von ZALF e. V. und agrathaer, gefördert von der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Seit 2015 werden systematisch Gefügeuntersuchungen an unterschiedlich bewirtschafteten Böden in Langzeitfeldversuchen und Praxisbetrieben durchgeführt. Die Hypothese ist, dass sich der Gefügezustand je nach Art der Behandlung des Bodens stark unterscheidet. Ziel der Arbeiten ist es, ein Diagnosewerkzeug für den Landwirt zur Erfassung des Bodengefügezustandes zu erarbeiten, mit der die Wirkung unterschiedlicher Bewirtschaftungsverfahren und vor allem Gefügeschäden visualisiert und quantifiziert werden können.
Partner
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin