Wie kamen Sie darauf, Algen für die landwirtschaftliche Nutzung zu erforschen?
Im Grunde genommen sind eine Handvoll Landwirte im Raum Paderborn selbst auf die Idee gekommen. Sie wendeten sich dem Gedanken, ihr eigenes Abwasser zum Algenanbau nutzen zu wollen, an uns, den Bereich Algenbiotechnologie und Bioenergie der Universität Bielefeld. Wir haben dann mit dem Forschungszentrum Jülich eine Kooperation aufgebaut, denn dort gibt es Fachleute, die viel Erfahrung mit Produktionsanlagen zur Aufzucht von Algen haben. Der Kreislaufgedanke, die Nährstoffe aus dem eigenen Abwasser zu nutzen und sie wieder auf dem Feld auszubringen ist spannend. Nicht zuletzt auch wegen der Knappheit von Düngemittel.
Was braucht es, um Algen anzubauen?
Sonne, Kohlendioxid aus der Luft und eine Produktionsanlage, über die Wasser fließt. Bei einer Temperatur von 25 Grad Celsius fühlen sich Algen besonders wohl. Auf der Produktionsanlage sorgen kleine Schaufelplatten dafür, dass in einem Rhythmus von etwa 90 Sekunden ein Wasserschwall über eine leicht angeschrägte Platte läuft. Dadurch kann man regulieren, welche Fließgeschwindigkeit für die Einzeller optimal ist, um Stickstoff und Phosphat aufzunehmen. Gelingt das, bildet sich ein Biofilm auf der Wasseroberfläche. Das sind Mikroalgen. Während sie wachsen, nehmen sie Nährstoffe aus dem Wasser auf und reinigen das Wasser auf diese Weise von Nitrat und Phosphat.
Über Abwasser mit Schweinegülle freuen sich Algen nur bedingt. Wo sie aber prima wachsen: Im Wasser einer Kläranlage.
Prof. Dr. Olaf Kruse
Gibt es etwas, was Algen nicht mögen?
Wir fanden heraus, dass Algen stark verschmutztes Abwasser, zum Beispiel aus dem Schweinestall, nicht so gut vertragen. Wir haben aber in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken im ländlichen Gebiet die Möglichkeit gefunden, eine Algen-Produktionsanlage an eine Kläranlage anzuschließen. Da wachsen sie ganz wunderbar und wir ernten sie einmal in der Woche. Dann trocknen wir sie und düngen damit erst einmal im kleinen Maßstab Getreide.
Lohnt sich das – wie hoch ist der Ertrag?
Aus 1.000.000 Litern Klärwerks-Wasser stellen wir etwa 3 kg Trockendünger her. Dieser beinhaltet 115 g organisch gebundenen Stickstoff und 40 g Phosphor. Das ist aktuell noch verhältnismäßig wenig, weil das Klärwasser bisher kontinuierlich mit relativ hoher Geschwindigkeit über die Anlage läuft und zudem in der Dämmerung und nachts so gut wie keine Aufnahme stattfindet. Die Effektivität der Nährstoffaufnahme können wir aber in Zukunft durch eine Optimierung der Parameter deutlich erhöhen. In zukünftigen Experimenten gehen wir von einer etwa dreifachen Steigerung aus.
Wann wird es den grünen Dünger für unsere Felder geben?
An diesem Forschungsprojekt arbeiten wir seit dem Frühjahr 2020. Jetzt beantragen wir ein Folgeprojekt beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Dann, so hoffen wir, produzieren wir Algen auf größeren Anlagen, angeschlossen an die Kläranlage der Stadt Bielefeld. Auch dort werden wir untersuchen, was die Bestandteile der Algen sind und wie gut sie sich als Dünger für die Felder eignen.
Wie wirtschaftlich kann der Algen-Dünger sein?
Die Versuchsanlage, die wir aktuell in Betrieb haben, hat eine 8 m2 große Fläche. Inklusive Strom- Material- und Personalkosten ist hier ein Kilo getrockneter organischer Dünger aus Algen praktisch unbezahlbar: 272 €. Bei einer 220-fachen Skalierung, also auf 1.760 m2 Fläche und einer geringfügigen Modifikation der Anlage würde ein Kilo aber nur noch 2,22 € kosten, was wiederum vergleichbar mit dem Preis für organischen Dünger ist. Die Düngereffizienz wollen wir gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich demnächst auch unter den Bedingungen auf einem Versuchsfeld untersuchen.