In Zukunft nur noch flach und flächig

Für Alex­ander Kern war immer schon klar, dass er die Erosion in den Griff bekommen muss. Bereits sein Vater Martin hatte vor 40 Jahren erkannt, welcher Erosi­ons­ge­fahr die Flächen des Spital­hofs im Kraich­gauer Hügel­land ausge­setzt sind. Zwischen­frucht­anbau und pflug­lose Boden­be­ar­bei­tung gehören seither zum Selbst­ver­ständnis des über 200 ha umfas­senden konven­tio­nellen Betriebs zwischen Karls­ruhe und Heil­bronn.

Der Spitalhof im baden-würt­tem­ber­gi­schen Bretten wirt­schaftet seit Jahren ohne Pflug und seit 2021 in den Wasser­schutz­ge­bieten auch ohne Glyphosat. Dies bedeutet vor allem zusätz­li­chen Arbeits­auf­wand und stei­gende Erosi­ons­ge­fahr. Die ein bis zwei Bear­bei­tungs­gänge mehr je Kultur erhöhen nicht nur den Diesel­ver­brauch, sondern regen den Boden auch zum Mine­ra­li­sieren an. Der Prozess baut Humus ab und setzt Nähr­stoffe frei, die dann der Auswa­schung ausge­lie­fert sind. „Ich mach also alles, was ich eigent­lich gerade nicht will. Aber ich hab keine Wahl“, sagt Alex­ander Kern. Gerade deshalb legt der Land­wirt und Metz­ger­meister viel Wert auf Zwischen­früchte und konser­vie­rende Boden­be­ar­bei­tung. 2019 hat er außerdem begonnen, nach dem Prin­zi­pien der rege­ne­ra­tiven Land­wirt­schaft zu arbeiten.

Manche Land­wirte, die den Boden viele Jahre ohne Pflug bear­beitet haben, inten­si­vieren seit 2021 die Boden­be­ar­bei­tung wieder. Schuld ist das Verbot des Total­her­bizid Glyphosat in Heil­quellen- und Wasser­schutz­ge­bieten sowie als Spät­an­wen­dung vor der Ernte im Rahmen der Pflan­zen­schutz-Anwen­dungs­ver­ord­nung (PflSch­AnwV) 2021. „Bei bestimmten Frucht­folgen steigen deshalb in Wasser­schutz­ge­bieten im Land­kreis Karls­ruhe die Nitrat­werte wieder“, kommen­tiert Rolf Kern, Pflan­zen­bau­be­rater am Land­ratsamt Karls­ruhe, die Auswir­kungen der neuen Vorgaben. Trotz der erschwe­renden Bedin­gungen hält der Experte für Düngung, Erosion und Boden­schutz die pflug­lose Boden­be­ar­bei­tung für möglich, ja sogar für die einzig sinn­volle Option. „Ich bin über­zeugt, dass wir den Klima­wandel nicht anders meis­tern können. Unsere Böden müssen resi­li­enter werden und das schaffen wir nur ohne Pflug. Denn der Pflug baut Boden­frucht­bar­keit ab und verbraucht Wasser“, erklärt er. „Flach und flächig“ sei die Devise der Zukunft.

Die Arbeit von Familie Kern auf dem Spitalhof zeigt, dass es funk­tio­nieren kann, scho­nende Boden­be­ar­bei­tung ohne Einsatz von Total­her­bi­ziden mit Zwischen­früchten zu kombi­nieren. Alex­ander Kern schätzt arten­reiche Zwischen­frucht­mi­schungen als Erosi­ons­schutz. Die gute Boden­struktur, die sie hinter­lassen, will er für die Folge­kultur nutzen, anstatt sie mit dem Pflug zu zerstören.

Alex­ander Kern und sein Vater Martin haben viel Erfah­rung mit der pflug­losen Boden­be­ar­bei­tung. Schon seit 40 Jahren haben die Böden des Spital­hofs keinen Pflug mehr gesehen.

Abfrie­rende Zwischen­früchte bei Frost abschlagen

Als dem Land­wirt klar wurde, dass er auf Glyphosat würde verzichten müssen, inves­tierte er in einen 6 Meter breiten Flach­grubber mit hoher Flächen­leis­tung (ca. 6 ha/h) und breiten Gänse­fuß­scharen. Damit kann er Zwischen­früchte und Unkraut 2-3cm flach unter der Erde abschneiden. Dank der hohen Flächen­leis­tung kommen die Fahrer schneller durch die notwen­digen zusätz­li­chen Bear­bei­tungs­gänge. „Das kann ich nur jedem empfehlen“, findet der Land­wirt.

Je nach Zwischen­frucht und Haupt­kultur setzt er eines von zwei Verfahren ein, um den Aufwuchs abzu­töten: das Stan­dard­ver­fahren, das vor den meisten Kulturen zum Einsatz kommt, oder die Flächen­rotte vor späten Kulturen. Beim Stan­dard­ver­fahren wird die abfrie­rende Zwischen­frucht bei Frost mit einer Messer­walze abge­schlagen und anschlie­ßend eben­falls bei Frost mit dem Flach­grubber einge­ar­beitet. „Die Zwischen­frucht bei Frost zu zerklei­nern – egal womit – hat einen größeren Einfluss auf den Erfolg des Abtö­tens als die spätere Bear­bei­tung mit Grubber, Schei­ben­egge oder Flach­grubber“, erklärt Alex­ander Kern. Auch Phacelia und Ramtill­kraut ließen sich mit dieser Methode sicher abtöten.

Die Zwischen­frucht bei Frost zu zerklei­nern hat einen großen Einfluss auf den Erfolg des Abtö­tens.

Alex­ander Kern

Grund­sätz­lich würde es zum Abtöten der Zwischen­frucht auch genügen, sie bei Frost direkt mit dem Grubber einzu­ar­beiten. Doch die kaum zerklei­nerten Pflan­zen­teile könnten dann verhin­dern, dass der Flach­grubber im Früh­jahr störungs­frei durch den Acker kommt. Sobald die Zwischen­frucht bear­beitet wurde, über­nehmen die Regen­würmer das Verar­beiten der Rück­stände. Klar, dass der Acker dann nicht aussieht wie gepflügt. Doch für Alex­ander Kern ist es wichtig, dass so viel Masse wie möglich auf der Boden­ober­fläche liegt – als Erosions- und Hitze­schutz.

Die nach­fol­gende Kultur sät der Land­wirt dann direkt in die Auflage. Seine Rüben­sä­ge­räte haben eine Mulch­saatein­rich­tung und die Kreis­el­egge für die Gers­ten­saat kommt auch ohne Probleme durch.

Die Zwischen­frucht – allen voran Wicken und Klee – sammelt seit Wochen Stick­stoff und bedeckt den Boden.

Flächen­rotte vor späten Kulturen

Vor späten Kulturen wie dem Mais kommt die Flächen­rotte zum Einsatz – ein für die rege­ne­ra­tive Land­wirt­schaft übli­ches Verfahren, das eine lange Boden­be­de­ckung ermög­licht. Dabei wird die über­win­ternde Zwischen­frucht im Früh­jahr abge­tötet, indem sie mit Fräse, Grubber oder Schei­ben­egge abge­schlagen und gleich­zeitig mit dem Mulcher zerklei­nert wird. Je länger die Zwischen­frucht zuvor wachsen kann, desto besser für den Boden. Der Nach­teil: „Wenn eine Zwischen­frucht so lange steht, hat man natür­lich auch Schad­gräser drin“, berichtet Alex­ander Kern. Im Mais darf er aber noch viele Herbi­zide anwenden, mit denen er die Altgräser im Zwei­fels­fall besei­tigen kann.

Die Fräse ist für die Flächen­rotte mit einem Tank ausge­stattet, der es ermög­licht, parallel effek­tive Mikro­or­ga­nismen (EM) in die bodennah abge­schla­gene Zwischen­frucht zu spritzen. Sie sollen für einen gezielten Rotte­pro­zess sorgen. Für die Flächen­rotte braucht der Boden eine gewisse Tempe­ratur. Das Boden­leben muss aktiv sein. Abschneiden, Zerklei­nern und Einar­beiten der Zwischen­frucht finden dann in einem Arbeits­gang statt. „Das ist ziem­lich arbeits­auf­wendig. Man muss langsam fahren“, so der Land­wirt. Mit der Schei­ben­egge würde das leichter gehen. Doch die schneide die Zwischen­frucht weniger sauber ab.

Je nach Witte­rung bleibt die Flächen­rotte etwa ein bis zwei Wochen liegen. Vor der Saat der nächsten Haupt­kultur folgt dann ledig­lich noch ein Bear­bei­tungs­gang mit dem Flach­grubber.

Nach dem zweiten Bear­bei­tungs­gang mit dem Schwerg­rubber sind die Gras­soden schon gut enterdet.

Auch gute Pläne können schei­tern

So viel zur Theorie. Dieses Jahr durch­kreuzte das Wetter die Pläne der Familie Kern: Eigent­lich sollte die über­win­ternde Zwischen­frucht bereits Mitte März mit einer Fräse 2-3cm tief einge­ar­beitet werden. Doch erst Mitte April war es möglich, auf den Acker zu fahren. Zu allem Über­fluss war die Zwischen­frucht im trockenen Sommer 2022 schlecht aufge­gangen. Diese Chance ließen sich Acker­fuchs­schwanz und der zuvor ange­baute Roggen nicht entgehen und wuchsen kräftig. Dieses Jahr ist die Flächen­rotte deshalb keine Option. „Da muss ich stärker bear­beiten“, erklärt Alex­ander Kern.

Ich bin über­zeugt, dass wir den Klima­wandel nicht anders meis­tern können.

Rolf Kern, Pflan­zen­bau­be­rater

Unzu­frieden ist der Land­wirt deshalb nicht. Immerhin hätte die Zwischen­frucht jetzt schon acht Wochen Stick­stoff gesam­melt, den Boden belebt und grün gehalten. „Ich hatte keine Erosion und konnte im Winter in den wach­senden grünen Bestand Kompost, Gärrest und Mist ausbringen. Das war das, was ich wollte“, erklärt Alex­ander Kern. Dafür müsse er jetzt in Kauf nehmen, dass das Gras da ist. „Man muss sich halt anpassen“, findet er. So grub­berte er dieses Jahr die Zwischen­frucht erst kurz nach Ostern 8 cm tief und ganz­flä­chig schnei­dend. Ein weiteres Mal rüttelte er etwa eine Woche später mit dem Grubber durch die Über­reste der Zwischen­frucht. Die letzte Bear­bei­tung steht nach einer weiteren Woche unmit­telbar vor der Mais­saat an. Bis dahin sollten die Gräser endgültig abge­storben sein, wenn es für ein paar Tage trocken bleibt.

Boden­be­ar­bei­tung schritt­weise anpassen

Pflan­zen­bau­be­rater Rolf Kern empfiehlt Land­wirten, die die Arbeit mit dem Pflug redu­zieren wollen, die Boden­be­ar­bei­tung nicht von einem auf den anderen Tag plötz­lich umzu­stellen. „Das funk­tio­niert nicht!“, warnt er. Statt­dessen sei es besser, schritt­weise vorzu­gehen sowie die Umstel­lung mit einer entspre­chenden Frucht­folge, Zwischen­frucht­mi­schungen und, wo es geht, Unter­saaten zu flan­kieren. „Mit Hilfe der Pflanzen baut man Boden­struktur und Humus auf. Je humoser der Boden wird, desto leichter lässt der sich auch flach bear­beiten“, erklärt der Boden­ex­perte.

Zur schritt­weisen Anpas­sung könne man beispiels­weise die ersten ein bis zwei Jahre noch 10 bis 15 cm tief mit dem Grubber arbeiten. Danach könne man von Jahr zu Jahr weniger tief gehen und auch mal vom Grubber auf die Schei­ben­egge wech­seln. Etwa vier Jahre nach den ersten Schritten Rich­tung mini­male Boden­be­ar­bei­tung sei es dann möglich, nur noch flach und flächig zu arbeiten.

Land­wirt Alex­ander Kern ist noch unschlüssig, wie sich das Glypho­sat­verbot in Wasser­schutz­ge­bieten lang­fristig auf seinen Betrieb auswirken wird: „Es kann sein, dass ich in Zukunft wieder pflügen muss, obwohl ich den Erosi­ons­schutz bräuchte“, über­legt er wegen des Problems mit den Altgrä­sern. Für den Moment erscheint ihm ein sowohl pflug- als auch glyphos­at­loser Betrieb jedoch machbar.

Rolf Kern ist als Verfechter der konser­vie­renden Boden­be­ar­bei­tung über­zeugt, dass es möglich ist, auch ohne Glyphosat pfluglos zu arbeiten. Land­wirte, die nur noch flach bear­beiten, hätten bereits entspre­chendes Know-How und Erfah­rung. „Mit mehr Arbeits­zeit, mehr Geräten, höherem Maschi­nen­ver­schleiß, mehr Über­fahrten und mehr Diesel bekommen die das hin.“

Ohne Inves­ti­tion in die passende Technik ließe es sich aller­dings kaum umgehen, wieder auf den Pflug zurück­zu­greifen, so Rolf Kern – zumin­dest, wenn kein Total­her­bizid mehr einge­setzt werden darf. Auch Land­wirt Alex­ander Kern schwört auf eine große Auswahl an Boden­be­ar­bei­tungs­ge­räten – trotz der hohen Fest­kosten. Denn sie ermög­li­chen es ihm, besser auf die Situa­tionen auf dem Feld reagieren zu können. Die derzeit langen Liefer­zeiten der Maschi­nen­her­steller von 6 bis 10 Monaten können die Umstel­lung der Boden­be­ar­bei­tung daher verzö­gern. „Nur, wenn man flach und flächig arbeiten kann, ist Unkraut- und Ausfall­ge­trei­de­be­sei­tung in der Regel auch ohne Glyphosat und Pflug gut“, erklärt Pflan­zen­bau­be­rater Kern.

Spitalhof Alex­ander und Martin Kern GbR

  • Standort: 75015 Bretten (Baden-Würt­tem­berg)
  • Webseite: www.spitalhof-kern.de
  • Fläche: 200 ha, davon der Groß­teil Acker­land
  • Boden: hete­ro­gene, über­wie­gend sehr gute Böden mit hoher Löss­auf­lage
  • Bewirt­schaf­tung: konven­tio­nell, seit 2019 nach den Prin­zi­pien der rege­ne­ra­tiven Land­wirt­schaft, seit 40 Jahren pflug­lose Boden­be­ar­bei­tung
  • Kulturen: Zucker­rüben, Ener­gie­mais, Soja­bohnen, Winter­weizen, Winter­gerste, Roggen, Sommer­gerste und Luzerne, Blüh­streifen
  • Betriebs­zweige: Gemischt­be­trieb mit Ackerbau, Mutter­kuh­hal­tung und Rinder­mast mit insge­samt 50 Tieren im Tret­mist­stall, Direkt­ver­mark­tung im Hofladen mit eigener Metz­gerei, Bauern­besen, Events wie Kinder­ge­burts­tage
  • Mitar­beiter: Fami­li­en­be­trieb mit Mutter, Vater, Sohn und Tochter, außerdem zwei Verkäu­fe­rinnen auf 400-Euro-Basis