Der Spitalhof im baden-württembergischen Bretten wirtschaftet seit Jahren ohne Pflug und seit 2021 in den Wasserschutzgebieten auch ohne Glyphosat. Dies bedeutet vor allem zusätzlichen Arbeitsaufwand und steigende Erosionsgefahr. Die ein bis zwei Bearbeitungsgänge mehr je Kultur erhöhen nicht nur den Dieselverbrauch, sondern regen den Boden auch zum Mineralisieren an. Der Prozess baut Humus ab und setzt Nährstoffe frei, die dann der Auswaschung ausgeliefert sind. „Ich mach also alles, was ich eigentlich gerade nicht will. Aber ich hab keine Wahl“, sagt Alexander Kern. Gerade deshalb legt der Landwirt und Metzgermeister viel Wert auf Zwischenfrüchte und konservierende Bodenbearbeitung. 2019 hat er außerdem begonnen, nach dem Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft zu arbeiten.
Manche Landwirte, die den Boden viele Jahre ohne Pflug bearbeitet haben, intensivieren seit 2021 die Bodenbearbeitung wieder. Schuld ist das Verbot des Totalherbizid Glyphosat in Heilquellen- und Wasserschutzgebieten sowie als Spätanwendung vor der Ernte im Rahmen der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PflSchAnwV) 2021. „Bei bestimmten Fruchtfolgen steigen deshalb in Wasserschutzgebieten im Landkreis Karlsruhe die Nitratwerte wieder“, kommentiert Rolf Kern, Pflanzenbauberater am Landratsamt Karlsruhe, die Auswirkungen der neuen Vorgaben. Trotz der erschwerenden Bedingungen hält der Experte für Düngung, Erosion und Bodenschutz die pfluglose Bodenbearbeitung für möglich, ja sogar für die einzig sinnvolle Option. „Ich bin überzeugt, dass wir den Klimawandel nicht anders meistern können. Unsere Böden müssen resilienter werden und das schaffen wir nur ohne Pflug. Denn der Pflug baut Bodenfruchtbarkeit ab und verbraucht Wasser“, erklärt er. „Flach und flächig“ sei die Devise der Zukunft.
Die Arbeit von Familie Kern auf dem Spitalhof zeigt, dass es funktionieren kann, schonende Bodenbearbeitung ohne Einsatz von Totalherbiziden mit Zwischenfrüchten zu kombinieren. Alexander Kern schätzt artenreiche Zwischenfruchtmischungen als Erosionsschutz. Die gute Bodenstruktur, die sie hinterlassen, will er für die Folgekultur nutzen, anstatt sie mit dem Pflug zu zerstören.
Abfrierende Zwischenfrüchte bei Frost abschlagen
Als dem Landwirt klar wurde, dass er auf Glyphosat würde verzichten müssen, investierte er in einen 6 Meter breiten Flachgrubber mit hoher Flächenleistung (ca. 6 ha/h) und breiten Gänsefußscharen. Damit kann er Zwischenfrüchte und Unkraut 2-3cm flach unter der Erde abschneiden. Dank der hohen Flächenleistung kommen die Fahrer schneller durch die notwendigen zusätzlichen Bearbeitungsgänge. „Das kann ich nur jedem empfehlen“, findet der Landwirt.
Je nach Zwischenfrucht und Hauptkultur setzt er eines von zwei Verfahren ein, um den Aufwuchs abzutöten: das Standardverfahren, das vor den meisten Kulturen zum Einsatz kommt, oder die Flächenrotte vor späten Kulturen. Beim Standardverfahren wird die abfrierende Zwischenfrucht bei Frost mit einer Messerwalze abgeschlagen und anschließend ebenfalls bei Frost mit dem Flachgrubber eingearbeitet. „Die Zwischenfrucht bei Frost zu zerkleinern – egal womit – hat einen größeren Einfluss auf den Erfolg des Abtötens als die spätere Bearbeitung mit Grubber, Scheibenegge oder Flachgrubber“, erklärt Alexander Kern. Auch Phacelia und Ramtillkraut ließen sich mit dieser Methode sicher abtöten.
Die Zwischenfrucht bei Frost zu zerkleinern hat einen großen Einfluss auf den Erfolg des Abtötens.
Alexander Kern
Grundsätzlich würde es zum Abtöten der Zwischenfrucht auch genügen, sie bei Frost direkt mit dem Grubber einzuarbeiten. Doch die kaum zerkleinerten Pflanzenteile könnten dann verhindern, dass der Flachgrubber im Frühjahr störungsfrei durch den Acker kommt. Sobald die Zwischenfrucht bearbeitet wurde, übernehmen die Regenwürmer das Verarbeiten der Rückstände. Klar, dass der Acker dann nicht aussieht wie gepflügt. Doch für Alexander Kern ist es wichtig, dass so viel Masse wie möglich auf der Bodenoberfläche liegt – als Erosions- und Hitzeschutz.
Die nachfolgende Kultur sät der Landwirt dann direkt in die Auflage. Seine Rübensägeräte haben eine Mulchsaateinrichtung und die Kreiselegge für die Gerstensaat kommt auch ohne Probleme durch.
Flächenrotte vor späten Kulturen
Vor späten Kulturen wie dem Mais kommt die Flächenrotte zum Einsatz – ein für die regenerative Landwirtschaft übliches Verfahren, das eine lange Bodenbedeckung ermöglicht. Dabei wird die überwinternde Zwischenfrucht im Frühjahr abgetötet, indem sie mit Fräse, Grubber oder Scheibenegge abgeschlagen und gleichzeitig mit dem Mulcher zerkleinert wird. Je länger die Zwischenfrucht zuvor wachsen kann, desto besser für den Boden. Der Nachteil: „Wenn eine Zwischenfrucht so lange steht, hat man natürlich auch Schadgräser drin“, berichtet Alexander Kern. Im Mais darf er aber noch viele Herbizide anwenden, mit denen er die Altgräser im Zweifelsfall beseitigen kann.
Die Fräse ist für die Flächenrotte mit einem Tank ausgestattet, der es ermöglicht, parallel effektive Mikroorganismen (EM) in die bodennah abgeschlagene Zwischenfrucht zu spritzen. Sie sollen für einen gezielten Rotteprozess sorgen. Für die Flächenrotte braucht der Boden eine gewisse Temperatur. Das Bodenleben muss aktiv sein. Abschneiden, Zerkleinern und Einarbeiten der Zwischenfrucht finden dann in einem Arbeitsgang statt. „Das ist ziemlich arbeitsaufwendig. Man muss langsam fahren“, so der Landwirt. Mit der Scheibenegge würde das leichter gehen. Doch die schneide die Zwischenfrucht weniger sauber ab.
Je nach Witterung bleibt die Flächenrotte etwa ein bis zwei Wochen liegen. Vor der Saat der nächsten Hauptkultur folgt dann lediglich noch ein Bearbeitungsgang mit dem Flachgrubber.
Auch gute Pläne können scheitern
So viel zur Theorie. Dieses Jahr durchkreuzte das Wetter die Pläne der Familie Kern: Eigentlich sollte die überwinternde Zwischenfrucht bereits Mitte März mit einer Fräse 2-3cm tief eingearbeitet werden. Doch erst Mitte April war es möglich, auf den Acker zu fahren. Zu allem Überfluss war die Zwischenfrucht im trockenen Sommer 2022 schlecht aufgegangen. Diese Chance ließen sich Ackerfuchsschwanz und der zuvor angebaute Roggen nicht entgehen und wuchsen kräftig. Dieses Jahr ist die Flächenrotte deshalb keine Option. „Da muss ich stärker bearbeiten“, erklärt Alexander Kern.
Ich bin überzeugt, dass wir den Klimawandel nicht anders meistern können.
Rolf Kern, Pflanzenbauberater
Unzufrieden ist der Landwirt deshalb nicht. Immerhin hätte die Zwischenfrucht jetzt schon acht Wochen Stickstoff gesammelt, den Boden belebt und grün gehalten. „Ich hatte keine Erosion und konnte im Winter in den wachsenden grünen Bestand Kompost, Gärrest und Mist ausbringen. Das war das, was ich wollte“, erklärt Alexander Kern. Dafür müsse er jetzt in Kauf nehmen, dass das Gras da ist. „Man muss sich halt anpassen“, findet er. So grubberte er dieses Jahr die Zwischenfrucht erst kurz nach Ostern 8 cm tief und ganzflächig schneidend. Ein weiteres Mal rüttelte er etwa eine Woche später mit dem Grubber durch die Überreste der Zwischenfrucht. Die letzte Bearbeitung steht nach einer weiteren Woche unmittelbar vor der Maissaat an. Bis dahin sollten die Gräser endgültig abgestorben sein, wenn es für ein paar Tage trocken bleibt.
Bodenbearbeitung schrittweise anpassen
Pflanzenbauberater Rolf Kern empfiehlt Landwirten, die die Arbeit mit dem Pflug reduzieren wollen, die Bodenbearbeitung nicht von einem auf den anderen Tag plötzlich umzustellen. „Das funktioniert nicht!“, warnt er. Stattdessen sei es besser, schrittweise vorzugehen sowie die Umstellung mit einer entsprechenden Fruchtfolge, Zwischenfruchtmischungen und, wo es geht, Untersaaten zu flankieren. „Mit Hilfe der Pflanzen baut man Bodenstruktur und Humus auf. Je humoser der Boden wird, desto leichter lässt der sich auch flach bearbeiten“, erklärt der Bodenexperte.
Zur schrittweisen Anpassung könne man beispielsweise die ersten ein bis zwei Jahre noch 10 bis 15 cm tief mit dem Grubber arbeiten. Danach könne man von Jahr zu Jahr weniger tief gehen und auch mal vom Grubber auf die Scheibenegge wechseln. Etwa vier Jahre nach den ersten Schritten Richtung minimale Bodenbearbeitung sei es dann möglich, nur noch flach und flächig zu arbeiten.
Landwirt Alexander Kern ist noch unschlüssig, wie sich das Glyphosatverbot in Wasserschutzgebieten langfristig auf seinen Betrieb auswirken wird: „Es kann sein, dass ich in Zukunft wieder pflügen muss, obwohl ich den Erosionsschutz bräuchte“, überlegt er wegen des Problems mit den Altgräsern. Für den Moment erscheint ihm ein sowohl pflug- als auch glyphosatloser Betrieb jedoch machbar.
Rolf Kern ist als Verfechter der konservierenden Bodenbearbeitung überzeugt, dass es möglich ist, auch ohne Glyphosat pfluglos zu arbeiten. Landwirte, die nur noch flach bearbeiten, hätten bereits entsprechendes Know-How und Erfahrung. „Mit mehr Arbeitszeit, mehr Geräten, höherem Maschinenverschleiß, mehr Überfahrten und mehr Diesel bekommen die das hin.“
Ohne Investition in die passende Technik ließe es sich allerdings kaum umgehen, wieder auf den Pflug zurückzugreifen, so Rolf Kern – zumindest, wenn kein Totalherbizid mehr eingesetzt werden darf. Auch Landwirt Alexander Kern schwört auf eine große Auswahl an Bodenbearbeitungsgeräten – trotz der hohen Festkosten. Denn sie ermöglichen es ihm, besser auf die Situationen auf dem Feld reagieren zu können. Die derzeit langen Lieferzeiten der Maschinenhersteller von 6 bis 10 Monaten können die Umstellung der Bodenbearbeitung daher verzögern. „Nur, wenn man flach und flächig arbeiten kann, ist Unkraut- und Ausfallgetreidebeseitung in der Regel auch ohne Glyphosat und Pflug gut“, erklärt Pflanzenbauberater Kern.
Spitalhof Alexander und Martin Kern GbR
- Standort: 75015 Bretten (Baden-Württemberg)
- Webseite: www.spitalhof-kern.de
- Fläche: 200 ha, davon der Großteil Ackerland
- Boden: heterogene, überwiegend sehr gute Böden mit hoher Lössauflage
- Bewirtschaftung: konventionell, seit 2019 nach den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft, seit 40 Jahren pfluglose Bodenbearbeitung
- Kulturen: Zuckerrüben, Energiemais, Sojabohnen, Winterweizen, Wintergerste, Roggen, Sommergerste und Luzerne, Blühstreifen
- Betriebszweige: Gemischtbetrieb mit Ackerbau, Mutterkuhhaltung und Rindermast mit insgesamt 50 Tieren im Tretmiststall, Direktvermarktung im Hofladen mit eigener Metzgerei, Bauernbesen, Events wie Kindergeburtstage
- Mitarbeiter: Familienbetrieb mit Mutter, Vater, Sohn und Tochter, außerdem zwei Verkäuferinnen auf 400-Euro-Basis