Heute werden die Felder inspiziert. Galina Peycheva-Miteva fährt von Plovdiv hinaus aufs bulgarische Land nach Malko Dryanovo, wo ein Großteil der Ländereien liegt, die sie managt. Sie geht ins Büro, checkt die Post, die Bestellungen, Lieferungen und Erntepläne, für 1.200 ha Land gibt es viel Bürokratisches zu erledigen. Dann geht es raus aufs Feld, wo sie sich mit den beiden angestellten Agronomen trifft. Gemeinsam begutachten sie die Sonnenblumen und Weizenfelder und planen die bald anstehende Ernte.
Galina Peycheva-Miteva leitet den Betrieb seit fast 15 Jahren. In diese Position kam sie zufällig – und ohne eine landwirtschaftliche Ausbildung. „Ich habe im Sommer 2008 auf dem Betrieb ausgeholfen und bereitete mich auf eine Zusage für einen Job im Finanzwesen vor – bis dato mein großer Traum. Dann hat unser Betriebsleiter gekündigt und wir brauchten dringend Ersatz. Ich bin erst mal nur eingesprungen.“
Ich bin erstmal nur eingesprungen.
Galina Peycheva-Miteva
Aus der vorübergehenden Lösung wurde ein Karriereweg: neben der Vollzeit-Tätigkeit auf dem Hof engagiert sie sich unter anderem im Vorstand der European Landowners Organization, hält Vorträge in Brüssel und spricht vor allem über die Chancen der regenerativen Landwirtschaft.
Regenerativ und erfolgreich
Den Ansatz der regenerativen Landwirtschaft verfolgt sie auch auf ihrem eigenen Land, dass sich über 1.200 ha bis zum Horizont zieht. Für bulgarische Verhältnisse, wo es viele landwirtschaftliche Betriebe mit über 2.000 ha gibt, ist dies mittelgroß. Galina Peycheva-Mitevas Anbauportfolio ist vielfältig: ein und mehrjährige Kulturen, sowohl im konventionellen, als auch im biologischen Anbau. Auf den Feldern baut sie die für die Region traditionelle Getreidesorten Weizen, Gerste, sowie die Ölfrüchte Raps und Sonnenblumen an, aber auch Alfalfa, Koriander, Mariendistel, und Grasmischungen.
Zum Betrieb gehören außerdem Weinberge, ein Rosengarten und Lavendelfelder. Die meisten Pflanzen verkauft sie nach der Ernte regional: Alfalfa und Grasmischungen sind Tierfutter für die umliegenden Höfe, die Trauben der 62 Hektar Weinberge werden von mehreren führenden bulgarischen Weinherstellern in ca. 40 km Entfernung weiterverarbeitet. Für die Region ebenfalls typisch ist der Anbau von Rosen und Lavendel.
„Bulgarien ist für sein Rosenöl weltbekannt. Man braucht allerdings sehr viele Blütenblätter für die Produktion von nur sehr wenig Essenz, was das natürliche Rosenöl teuer macht. Inzwischen wird es hauptsächlich in hochwertigen Parfüms verwendet. Die Nachfrage ist daher stark gesunken.“ Allerdings nicht auf den weitläufigen Rosenfeldern vor Ort: Die Bewohner der rund 700 umliegenden Bienenstöcke freuen sich nach wie vor über das blühende Angebot. So auch die benachbarten Imker, die mit Hilfe ihrer Bienen regionalen Honig erzeugen.
Zu den Sonderkulturen, die biologisch angebaut werden, gehört außerdem die Mariendistel. Die bot sich förmlich an: „Der Distelanbau hat in unserer Gegend Tradition. Die von uns angebauten Disteln werden hauptsächlich für die Produktion eines Lebermedikamentes benutzt. Außerdem ist kalt gepresstes Distelöl als Mittel zur Leberentgiftung sehr populär.“ Über mehrere Jahre baute Galina Peycheva-Miteva auf dem Betrieb auch Baumwolle an – das musste allerdings wegen der immer kälteren und feuchteren Frühjahre aufgegeben werden.
Extreme des Klimawandels als Herausforderung
Extreme Witterungsverhältnisse durch den Klimawandel setzen der landwirtschaftlichen Produktion zunehmend zu. „Dieses Jahr ist es extrem heiß und trocken, im Juni hatten wir bereits fast 40 Grad. 2021 wiederum war es eher regnerisch und kalt.“ Solchen schnell wechselnden Bedingungen kann Peycheva-Miteva kaum etwas entgegensetzen. Auch kann sie sich auf die Erfahrungen der letzten Jahre nicht verlassen. Das macht die Anbauplanung schwierig – und eine vermeintliche Erfolgsformel kann schon nach einem Jahr wieder hinfällig sein.
Unter den klimatischen Bedingungen leidet auch der Bodenfruchtbarkeit, die von Beginn an nicht besonders gut war: „Ab einer Tiefe von 15 Zentimetern war der Boden wie Beton, also verdichtet und außerdem versalzen. Die Pflanzen konnten keine tiefen Wurzeln ausbilden und der Boden war kaum gegen Erosion durch Wind und Wetter geschützt.“ Um etwas dagegen zu unternehmen und die Bodenqualität langfristig zu erhöhen, führte sie eine vielseitigere Fruchtfolge, verschiedene Zwischenfrüchte sowie minimale Bodenbearbeitung ein. Dadurch ist der Boden über einen längeren Zeitraum im Jahr bedeckt und wird besser durchwurzelt, was ihn insgesamt weniger belastet.
Wir betrachten unsere wichtigste Produktionsressource – in diesem Fall den Boden und seine Gesundheit – aus einer langfristigen Perspektive.
Galina Peycheva-Miteva
Bakterien statt Dünger
Nach der Ernte wird Stroh in den Boden eingearbeitet, was die organische Substanz des Bodens erhält und ihn so vor Erosion schützt. Außerdem regt die oberflächliche Bodenbearbeitung das Keimen von Unkräutern an, die dann einfacher bekämpft werden können. Darüber hinaus begann Galina Peycheva-Miteva damit, dem Boden Mikroorganismen zuzufügen, die Stickstoff und Phosphor binden können. Das erhöht die Produktivität und stellt die natürlichen Bodeneigenschaften wieder her. Zusätzlich verwendet sie Bakterien, die Krankheitserreger bekämpfen. All das wiederum führt dazu, dass deutlich weniger Düngemittel eingesetzt werden müssen – was dem Boden langfristig zugutekommt.
Galina Peycheva-Miteva hat lange mit der Menge und Art der Zusätze experimentiert, bevor sie ein ausgewogenes, funktionierendes System gefunden hat: „Es wäre gelogen zu behaupten, dass alles, was wir ausprobiert haben, gleich funktioniert hat oder ein spektakulärer Erfolg war“, sagt sie. Für ihren Ansatz zur Förderung der Bodenqualität wurde sie 2017 mit dem Land and Soil Management Award ausgezeichnet.
Die Zuführung unterschiedlicher Bakterien führte zu einer sichtbaren Verbesserung der Bodenqualität: mehr Würmer, mehr Sauerstoff, gesündere Wurzelsysteme – und genau so hohe Erträge wie zuvor. Nicht nur für die Landwirtin, sondern auch für die Geschäftsfrau ist das ein voller Erfolg. Mit der Einsparung von Düngemitteln kann Galina Peycheva-Miteva die Kosten für die Zusatzstoffe schnell wieder hereinholen. Für sie ist „die regenerative Landwirtschaft auch wirtschaftlich ein voller Erfolg – mit vielen positiven, nachhaltigen Effekten.“
Die regenerative Landwirtschaft ist für mich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch ein Erfolg.
Galina Peycheva-Miteva
Die Landwirtschaft kann präziser sein
Bei der Umstellung auf eine minimale Bodenbearbeitung spielen auch die passenden Maschinen eine Rolle. „Für diese Aufgabe braucht es zuverlässige Traktoren. Daher entschied ich mich für John Deere.“ Damit hat sie den Grundstein für die Zukunft gelegt, in der sie den Fokus auf die Präzisionslandwirtschaft legen will. Denn dass kein Hektar Boden dem anderen gleicht, weiß Galina Peycheva-Miteva sehr gut: „Die Fülle an Daten, die wir dank Precision Farming sammeln können, ermöglichen es uns, einen maßgeschneiderten Ansatz zu entwickeln. Außerdem erreichen wir auf diese Weise Einsparungen und erzielen noch bessere Ergebnisse.“
Ihre über die Jahre hinweg gesammelten Erfahrungen mit den Bodenbakterien und dem Klimawandel möchte sie gerne teilen, besonders in der Region: „Die meisten Landwirte wollen keine langen wissenschaftlichen Abhandlungen lesen, sondern wissen, was sie im Alltag tun können. Wir müssen uns regionaler und persönlicher vernetzen.“ Denn die klimatischen Herausforderungen in der Region sind vergleichbar und von einem offenen Austausch können hier alle profitieren.
Galina Peycheva-Miteva blickt auf das leuchtend-gelbe Feld voller Sonnenblumen. „Das hier ist unser Land – wem es gehört, muss sich darum kümmern. Für mich kann es deswegen nur eine langfristige und nachhaltige Landbewirtschaftung geben.“