Jonas Juhl leitet die jütländische Abteilung des dänischen Familienbetriebs Kjær Knudsen mit einem Bestand von 8000 Zuchtsauen, der über sechs Betriebsstätten in Jütland und Seeland verfügt. Seit 2020 setzt er dem Futter ein Gemisch aus milchsäurefermentiertem Raps und Seetang zu und stellt dadurch ein in jeder Hinsicht erhöhtes Wohlbefinden bei seinen Tieren fest.
Nach einem wirtschaftlichen Abschwung im Jahr 2019 galt es die Produktion wieder hochzufahren und das Wohlbefinden der Zuchtsauen zu steigern. Jonas Juhl erinnerte sich an die Firma European Protein, die mit der Entwicklung von Proteinfutter insbesondere für Schweine experimentierte. Er traf sich mit Firmeninhaber Jens Legarth und sie kamen überein, Proteine, die bei der Verarbeitung von Raps und Seetang entstehen, als Bestandteil in die Futtermittelmischung einzuführen.
Zunächst wurde die neue Mischung in den jütländischen Beständen getestet. Heute wird das Produkt EP199 von European Protein in sämtlichen Betriebsstätten von Kjær Knudsen als fester Bestandteil des Schweinefutters eingesetzt. „Wir möchten es einfach nicht mehr missen und nutzen es sowohl im Zucht- als auch im Mastbetrieb“, erzählt Jonas Juhl bei einer Tasse Kaffee am Vormittag.
Wachsame Darmbakterien
Jens Legarth erklärt: „Das Geheimnis des Futters besteht in der Milchsäurefermentation des Seetangs und Raps. Während der Fermentierung bilden sich Zersetzungsstoffe (Metaboliten) und Protein wird in Aminosäuren aufgespalten, die im Zusammenspiel mit Milchsäurebakterien und Ballaststoffen (Präbiotika) für eine bessere Darmflora sorgen.“ Sie wird dadurch wachsamer gegenüber Infektionen und eventuellen Entzündungsherden. Außerdem kann die Darmflora Kolibakterien ausschalten und damit Durchfall vorbeugen.
Seit zwei Jahren haben wir kein Zink mehr einsetzen müssen und konnten den Verbrauch von Antibiotika reduzieren, trotzdem fühlen sich sowohl die Säue als auch Ferkel deutlich wohler.
Jonas Juhl
„Seit zwei Jahren brauchten wir kein Zink mehr einzusetzen und konnten den Antibiotikaverbrauch reduzieren. Trotzdem fühlen sich sowohl die Säue als auch Ferkel erheblich wohler,“ sagt Jonas Juhl. Dies lässt sich auch von einem großen Fernsehbildschirm ablesen, der Woche für Woche die Entwicklung im Sau- und Ferkelstall wiedergibt. Sämtliche Betriebsstätten von Kjær Knudsen sind mit diesem Bildschirm verbunden, so dass die Entwicklung laufend verfolgt werden kann. Da der größte Teil der 80 Mitarbeiter aus Ukrainern besteht, wird der Text sowohl auf Dänisch als auch auf Ukrainisch angezeigt.
Das Geheimnis des Futters besteht in milchsäurefermentiertem Seetang und Raps.
Jens Legarth
Jonas Juhl stellt die einzelnen Kennzahlen dar: Die Anzahl der Lebendgeburten pro Wurf beträgt 18,8 Ferkel, davon werden 17,7 abgesetzt. Beim Absetzen nach drei Wochen wiegen die Ferkel 7,5 kg. Jede Sau wirft im Durchschnitt 2,27-mal pro Jahr und liefert damit 40,2 Absatzferkel. 83 % der gedeckten Zuchtsäue ferkeln auch ab, so dass nur wenige erneut gedeckt werden müssen. Während die Sterblichkeit von Zuchtsäuen in Dänemark steigt und 2022 durchschnittlich 16,1 % erreichte, lag der Wert in dem Betreiben von Hause Kjær Knudsen zwischen 8 und 15 %.
Gesunde Mütter bekommen gesunde Kinder
So viel zur Gesundheit und Fruchtbarkeit der Säue. Aber wie geht es den Ferkeln nach dem Absetzen? „Gut“, weiß Jonas Juhl, „und dafür gibt es viele Gründe.“ Infolge ihres guten Wohlbefindens sind die Säue aktiver und produzieren mehr Milch für ihre Ferkel. Die Ferkel innerhalb eines Wurfs sind von ähnlicherer Größe, womit Sie beim Konkurrenzkampf um die Zitzen der Sau ähnliche Chancen haben. Gleichzeitig sind die Ferkel gesünder und zeigen einen größeren Appetit.
Dies lässt sich auch anhand von Fakten belegen. Die Ferkelsterblichkeit pro Jahr liegt bei 8 % Prozent, und die Ferkel sind beim Absetzen nach drei Wochen im Schnitt um ein Kilo schwerer geworden und wiegen jetzt 7,5 kg.
Jonas Juhl sieht sehr zufrieden aus, und Jens Legarth scheint das seinerseits nicht zu überraschen. „Nein“, meint er. „Eine gesunde Mutter bekommt gesunde Kinder. So ist das. Das gilt für Tiere wie für Menschen.“ Gerne würde European Protein seine fermentierten Produkte auch für die menschliche Ernährung freigegeben lassen, um so eine Lösung für das steigenden Interesse an der Darmgesundheit auch für die menschliche Befindlichkeit anbieten zu können.
Über European Protein
Das Unternehmen wurde 2011 von Jens Legarth gegründet. Ziel war es, die Tiergesundheit auf natürliche Art zu verbessern und die Produktivität für die tierische Nahrungsmittelproduktion mit Hilfe getrockneter und milchsäurefermentierter Pflanzenproteine zu erhöhen. Das Unternehmen hat die Vision, mit Hilfe der Fermentierung mehr heimische Proteine zu nutzen und die EU damit zum Selbstversorger zu machen. Gelichzeitig soll der CO2-Abdruck durch importiertes Sojaeiweiß verringert werden.
Im gleichen Jahr brachte das Unternehmen ein neues Protein auf fermentierter Rapsmehlbasis auf den Markt – ein Beiprodukt aus der Rapsölproduktion.
Die ersten Produkte waren vor allem für Schweineproduzenten gedacht. Anschließend wurde das Portfolio auf Geflügel, Wild, Pferde und andere Tierarten erweitert.
Der von European Protein verarbeitete Seetang stammt hauptsächlich von den Färöern, aber auch von Lieferanten aus anderen Teilen der Welt. Die Produkte des Unternehmens werden in den USA, Europa, Südafrika und Asien verkauft.
Die Fabrik liegt im dänischen Midtjylland bei Vejle und hat 6 Mitarbeiter. Die nächste Generation der Familie Legarth ist bereits in das Unternehmen eingetreten.
Erfahren Sie mehr unter www.europeanprotein.com
Bessere Ergebnisse
Auch wenn das fermentierte Futtermittel EP199 einen höheren Preis hat, zahlt sich dessen Einsatz trotzdem aus. Dies liegt vor allem an der höheren Anzahl abgesetzter Ferkel, die um 4,6 Ferkel pro Sau und Jahr gestiegen ist.
„Es wird empfohlen, 6 bis 9 % des fermentierten Seetang-Raps-Produkts dem Futter beizumischen“, erklärt Jens Legarth. „Dieser Empfehlung sind wir am Anfang auch gefolgt. Allerdings machten wir die Erfahrung, dass ein Anteil von 4 bis 6 % für die höchsten Futterverwertung sorgt. Außerdem haben wir festgestellt, dass die Futterverwertung umso höher ist, je jünger die Tiere bei der Einführung von EP199 sind.“
Auch klimatechnisch bieten sich Vorteile. Raps und Seetang ersetzen importierte Sojabohnen, und da die fermentierte Futterbeimischung die Nährstoffaufnahme erhöht, werden auch weniger Stickstoff und Phosphor mit dem Dung ausgeschieden.
„Es bedeutet viel für uns“, betont Jonas Juhl, „dass wir mit unseren Schweinen am Markt konkurrenzfähig sind.“ Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sich die höheren Ausgaben amortisieren. Und das tun sie. Die von Kjær Knudsen jährlich produzierten Ferkel werden zu einem Drittel exportiert, einem Drittel schlachtet und zu einem Drittel an andere Zuchtbetriebe verkauft wird.
Fazit: Mit den Erfolgen, die Jonas Juhl sowohl am Wohlbefinden im Stall als auch an der Betriebsbilanz abliest, kann er anderen den Einsatz des fermentierten Futters nur empfehlen.
Es wirkt – aber wieso?
Mit 9 Mio. Euro aus dem Horizon-Programm der EU soll ermittelt werden, warum milchsäurefermentierter Seetang sich positiv auf die Gesundheit von Säuen auswirkt.
„Dass milchsäurefermentierter Seetang und Raps die Gesundheit von Zuchtsäuen steigern ist vielfach belegt, die genauen Gründe dafür kennen wir allerdings nicht“, erklärt Jens Legarth von European Protein. Nachdem er schon seit vielen Jahren mit fermentiertem Tierfutter arbeitet, ist er neugierig darauf, die Puzzlestücke zusammenzusetzen, mit denen sich erklären lässt, warum milchsäurefermentierte Proteine eine Reihe von Indikatoren bei den Säuen verändern.
Im EU-Projekt SeaMark arbeiten insgesamt 25 Partner zusammen, darunter die dänischen Universitäten von Kopenhagen, Århus und Ålborg sowie Fermentationexperts, die Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft von European Proteins.
Im Vorfeld haben European Protein und die Universität Kopenhagen seit 2019 Düngeranalysen, Blutproben und elektronische Kontrolldaten über verschiedene Futtermischungen von 30.000 auf 36 Betriebe verteilten Zuchtsäuen gesammelt, und zwar bevor und nachdem fermentierte Seetang- und Rapsproteine in der Fütterung eingesetzt wurden. Somit liegt bereits eine große Gesundheitsdatenbank vor, die als Grundlage für das SeaMark-Projekt dienen kann.
Dennis Sandris Nielsen, Professor am Institut für Lebensmittelforschung der Universität Kopenhagen, hält das Projekt für eine hervorragende Möglichkeit, die Wirkungszusammenhänge besser zu verstehen, und die Postdoktorandin und Tierärztin Marianne Kaiser von der Universität Århus nennt es eine einmalige Chance.
Sie weist darauf hin, dass „der Einfluss der Gesundheit von Säuen und damit verbundene mögliche Ansätze für einen Verminderung der Sterblichkeit junger Ferkel bisher nicht ausreichend untersucht wurde.“
Jens Legarth meint dazu: „Wir möchten herausfinden, warum Säue mit deutlich geringerer Futtermenge und Proteinzufuhr produktiver sind und sich gleichzeitig die Gesundheit der Tiere verbessert. Schweineproduzenten eröffnet sich dadurch eine Möglichkeit zur Geldersparnis.“
Ursprünglich sollte die Arbeit von SeaMark im ersten Halbjahr 2023 beginnen und nach etwa einem Jahr beendet sein. Aktuell wird jedoch noch nach Betrieben gesucht, die den Anforderungen der Studie entsprechen und Interesse an einer Teilnahme haben.