Herr Berges, durch den NIR-Sensor wissen wir genau, welche Nährstoffe die Gülle wirklich enthält. Verändert sich dadurch in der Praxis auch die Düngestrategie?
Ja, definitiv. Es ist klar, dass die Natur immer variabel ist – das Wetter ist nicht konstant und die Gülle eben auch nicht. Durch den NIR-Sensor sind Landwirte und Lohnunternehmer jetzt in der Lage, kontinuierlich und in Echtzeit, die wichtigen drei Nährstoffe der Gülle zu bestimmen. Das macht die Variabilität der Natur transparenter und hat sehr positive Auswirkungen. Ich würde sogar sagen: Dies ist ein Durchbruch in der Düngestrategie.
Was bedeutet das konkret für verschiedene Betriebe?
Schauen wir uns zwei typische Betriebsarten an: Da ist einmal der viehhaltende Betrieb. Auf dem fällt schon immer Gülle an und der Betrieb düngt seit Jahrzehnten mit Gülle. Das ist für diese Landwirte also nichts Neues. Durch den Einsatz des NIR-Sensors wissen sie nun aber genau, was sie da ausgebringen. Deshalb reden wir nicht mehr von Kubikmetern Gülle pro ha, sondern von kg Nährstoff pro ha. So kann man die Überdüngung in viehintensiven Regionen vermeiden und gleichzeitig auch die bekannten Nebenwirkungen auf Boden, Wasser und Luft.
HarvestLab 3000
Nahinfrarotspektroskopie (NIR-Spektroskopie), um unterschiedliche Bestandteile im Erntegut oder der Gülle zu analysieren (ein Sensor, drei Anwendungen)
Ein anderes Beispiel sind die Ackerbaubetriebe. Da gab es in der Vergangenheit Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Gülle. Schließlich düngt der Ackerbauer seit Jahrzehnten mit Mineraldünger und hat das bisher auch sehr erfolgreich gemacht. Gleichzeitig wurde dadurch aber ein natürlicher Nährstoffkreislauf durchbrochen, der über Jahrtausende entstanden war. Durch die NIR-Technik wird der Einsatz von Gülle nun auch wieder für Ackerbauern interessant. Der ist es bereits gewohnt in kg Dünger pro ha zu düngen. Wenn er den Sensor einsetzt, kann er genau das nun auch mit Gülle tun.
Ganz simpel gefragt: Kann Gülle den mineralischen Dünger zu 100 % ersetzen?
Wenn man die Zahl 100 streicht, würde ich die Frage bejahen. Man kann und sollte Mineraldünger mit Gülle substituieren, aber nicht komplett. Wenn wir uns organische Dünger anschauen – egal ob in fester Form bei Mist oder in flüssiger Form bei Gülle – dann haben wir in der Regel P als begrenzenden Faktor.
Jetzt können wir Mineraldünger durch organischen Dünger substituieren und genau mit diesem P-Wert an das Optimum für den P-Bedarf für die jeweilige Frucht gehen. Es bleiben jedoch Düngelücken bei K und bei N – die können dann mineralisch aufgedüngt werden. Die Faustregel lautet also: So viel Gülle wie möglich und so wenig Mineraldünger wie nötig. Klar ist aber auch: Auf Mineraldünger können wir bis auf Weiteres nicht komplett verzichten.
Bei allen Vorteilen von mineralischem Dünger. Wo ist ihm die Gülle überlegen?
Zunächst ist der Vorteil, dass wir durch Gülle – wie bereits erwähnt – Nährstoffkreisläufe schließen können. Außerdem erreiche ich durch Gülle eine höhere Bodenfruchtbarkeit und habe eine verbesserte Humus-Bilanz. Gerade der letzte Vorteil spielt in ein Mega-Thema der Zukunft, da wir im Acker eine Senke für Kohlenstoff haben. Durch den Einsatz von Gülle ist es deutlich einfacher, das Humus-Niveau zu halten oder auszubauen und damit auch CO2 langfristig der Atmosphäre zu entziehen. Und zu guter Letzt: Durch den Einsatz von Gülle spare ich Diesel ein.
Das müssen Sie erklären.
Gerne, das ist eines meiner Lieblingsthemen, da der Effekt nicht so bekannt ist. Wenn wir uns auf einem landwirtschaftlichen Betrieb über die Saison den Einsatz von Landmaschinen anschauen, sehen wir, dass diese Maschinen Diesel verbrennen. Wenn wir diesen Verbrauch summieren, kommen wir je nach Region, Bodentyp und Anbauverfahren auf 60 bis 100 l Diesel pro Hektar im Jahr.
Wenn wir aber jetzt als Beispiel einen Marktfruchtbetrieb nehmen, der 160 kg Stickstoff mineralisch düngt, dann werden auch ca. 160 l Diesel benötigt, um die 160 kg Stickstoff zu erzeugen. Das wird künstlich gemacht, daher ist das gebräuchliche Wort auch Kunstdünger. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass der Ackerbauer mit der NIR-Technologie die Hälfte des Mineraldüngers mit Gülle substituieren kann, wird klar: Er spart exakt die 80 l Diesel ein, die alle seine Landmaschinen pro Hektar an 365 Tagen verbrauchen. Das ist ein enormer Beitrag zur Nachhaltigkeit.