Bäume und Sträucher bieten eine äußerst effektive Möglichkeit CO2 zu speichern und gelten weithin als wichtiger Baustein zur Eindämmung des Klimawandels. Daneben kommt auch der Beweidung eine wichtige Bedeutung zu. Doch letztlich hängt eine erfolgreiche Verbindung von nachhaltiger Landwirtschaft und Klimaneutralität von dem ab, was unter der Grasnarbe, im Boden, stattfindet.
Sarah Bolt, Membership Development Manager bei Kingshay Dairy Specialists, hat in ihrem kürzlich veröffentlichen „Soil Carbon Report“ die wichtigsten Erkenntnisse eines Kingshay-Projekts zu organisch im Boden gebundenen Kohlenstoff („Soil Organic Carbon Project“), weitere Forschungsergebnisse sowie den derzeitigen Stand des Wissens zusammengestellt.
Beweidung birgt ein gewaltiges Potenzial für die CO2-Sequestrierung.
Sarah Bolt
„Beweidung birgt ein gewaltiges Potenzial für die CO2-Sequestrierung und bietet den Vorteil, dass bis zu 90 % des CO2 als organisch gebundener Kohlenstoff im Boden gespeichert werden – im Gegensatz zu Wäldern, wo das CO2 mehrheitlich in der Vegetation gebunden ist“, erläutert Bolt. Die Einlagerung von Kohlenstoff im Boden dient darüber hinaus nicht nur der Eindämmung des Klimawandels, sondern bildet auch die Grundlage für gesunde, fruchtbare Böden mit guter Struktur und vorteilhaften chemischen und biologische Eigenschaften.
Je gesünder und stabiler unsere Böden sind, desto produktiver sind sie und desto widerstandsfähiger erweisen sie sich gegenüber Nährstoffauswaschung, Dürre und Bodenerosion durch die in Großbritannien immer häufiger auftretenden Extremwetterlagen.
„Im Rahmen unseres Projekts zu organisch gebundenem Kohlenstoff im Boden haben wir den derzeitigen Gehalt in britischem Weideland und die wesentlichen Einflüsse durch CO2-Abscheidung und -Speicherung untersucht“, so Bolt. „Anschließend haben wir den Bericht veröffentlicht. Er ist als praktischer Leitfaden für Landwirte gedacht, die sich ein besseren Überblick über das Thema verschaffen wollen und wissen möchten, wie sie den Kohlenstoffgehalt in ihrem Weideland messen und steuern können. Das soll den Landwirten bei der Gesunderhaltung ihrer Böden helfen und zu einer auf Langfristigkeit angelegten Produktivität beitragen.“
Worauf also müssen Landwirte achten?
Organisch gebundener Kohlenstoff vs. organische Bodensubstanz
„In Diskussionen zum Thema Bodengesundheit und CO2-Speicherung tauchen immer wieder zwei Begriffe auf: Organisch im Boden gebundener Kohlenstoff (Soil Organic Carbon, SOC) und organische Bodensubstanz (Soil Organic Matter, SOM)“, erläutert Bolt. „Der organisch gebundene Kohlenstoff ist ein Bestandteil der Bodensubstanz, welcher neben Kohlenstoff vor allem Wasser, Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphat sowie Bodenorganismen und deren Ausscheidungen enthält.“
„Lange Zeit haben wir die organische Bodensubstanz untersucht, um den Kohlenstoffgehalt zu bestimmen, und sind davon ausgegangen, dass der organisch gebundene Kohlenstoff rund 58 % der Bodensubstanz ausmacht“, so Bolt. „Mittlerweile verstehen wir besser, wodurch die Menge des im Boden gebundenen Kohlenstoffs bestimmt und beeinflusst wird. Dabei kann es große Unterschiede zwischen den einzelnen Betrieben geben.“
Deshalb können Landwirte aus einer guten bis sehr guten Bodenstruktur zwar auf einen günstigen Gehalt an organisch im Boden gebundenem Kohlenstoff schließen, dessen Größenordnung lässt sich aufgrund der verschiedenen weiteren Bestandteile der Bodensubstanz jedoch nur grob schätzen.
Bodentextur
Einer der wichtigsten Einflussfaktoren für den Kohlenstoffgehalt ist der Bodentyp. „Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen den Tongehalt im Boden und dem dort gebundenen Kohlenstoff“, erläutert Sarah Bolt. „Tonpartikel sind sehr klein und können zusammen große Oberflächen bilden, die Kohlenstoff in elektrostatischen Bindungen festhalten und so Aggregate bilden.“
„Dies stabilisiert die den Kohlenstoff enthaltende organische Substanz, und die Zersetzung durch Bodenorganismen sorgt dafür, dass der Kohlenstoff nicht in Form von Kohlendioxid (CO2) daraus entweichen kann.“ Bei Sandböden kann sich die Bindung größerer Mengen Kohlenstoff dagegen als schwierig erweisen.
„Sandböden stellen eine Herausforderung dar, weil sie über keine oder nur sehr wenige Tonpartikel verfügen und daher keine so großen Oberflächen bilden können. Das bedeutet dann aber, dass der Kohlenstoff nicht so stabil im Boden gespeichert werden kann“, erläutert Bolt. „Da spielt es dann auch keine Rolle, mit wie viel organischer Substanz ein Sandboden angereichert wird – er kann letztlich nur eine begrenzte Menge Kohlenstoff aufnehmen, und wenn diese ausgeschöpft ist, müssen die Landwirte darauf achten, dass dieses Niveau gehalten wird.“
Verhältnis zwischen organisch gebundenem Kohlenstoff und Ton
Das Verhältnis zwischen dem prozentualen Anteil organisch im Boden gebundenen Kohlenstoffs und des prozentualen Tongehalts, der „SOC/Ton-Verhältnisindex“, sollte bei allen bewirtschafteten Bodentypen einen Mindestwert von 0,1 erreichen können. Auch wenn sich der Anteil organisch gebundenen Kohlenstoffs (SOC) in einem bestimmten Betrieb in konkreten Zahlen angeben lässt, sagt dies noch nichts über die Qualität des Bodens in Bezug auf den Bodentyp aus.
Aus diesem Grund hat eine Forschungsgruppe ein Indexsystem für das Verhältnis von SOC und Ton entwickelt, das Böden in vier Kategorien unterteilt: Degradiert (< 0,077), mäßig (< 0,1 ≥ 0,077), gut (< 0,125 ≥ 0,1) und sehr gut (≥ 0,125).
„Ein Sandboden kann in keinem Fall genau so viel SOC enthalten wie ein Tonboden. Deshalb verwenden wir die Indexkategorien, um die Bedeutung dieses SOC/Ton-Verhältnisses für die Bodenstruktur herauszustellen“, erläutert Sarah Bolt. An dem Projekt nahmen 100 Betriebe teil.
Das durchschnittliche SOC/Ton-Verhältnis lag bei 0,15, wobei der niedrigste Einzelwert allerdings 0,06 betrug und der höchste bei 0,54. Hinsichtlich der Bodenkategorien wurden 59 % des Dauergrünlands als „sehr gut“ klassifiziert und 27,9 % als „gut“, während 36 % der als kurz- und mittelfristiges Grünland bewirtschafteten Böden als „sehr gut“ und 41 % als „gut“ eingestuft wurden. „Dabei ist anzumerken, dass der Anteil der Böden, die als ‚degradiert‘ oder ‚mäßig‘ eingestuft wurden, beim temporären Grünland bei 23 % lag und beim Dauergrünland nur bei 13,1 %.“
Messung des Gehalts
Für eine effektive Steuerung des SOC-Gehalts ist eine vorherige Messung erforderlich. „Durch die Messung ermitteln wir das aktuelle Niveau, unseren Ausgangspunkt“, so Bolt. „Dies bietet uns einen Ausgangspunkt für die Planung und Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen. Die Messung des SOC-Gehalts kann dabei nach zwei unterschiedlichen Verfahren erfolgen: 1. Glühverlustprüfung – Dabei handelt es sich um ein verbreitetes Verfahren zur Bestimmung des Anteils organischer Bodensubstanz (SOM) unter der Prämisse, dass organisch im Boden gebundener Kohlenstoff (SOC) daran einen Anteil von 58 % hat. 2. Verbrennungsverfahren nach Dumas – ein spezifisches und besonders genaues Messverfahren.“
„Dabei ist es wichtig, dass sich die Landwirte der Unterschiede zwischen den Verfahren bewusst sind: Die Glühverlustprüfung ist kostengünstiger, liefert aber keine genauen Ergebnisse. Deshalb gilt die Probenahme auf dem Feld, gefolgt von der Laboranalyse mit dem Verbrennungsverfahren nach Dumas als Goldstandard.“ Natürlich hängt die Wahl des Verfahrens auch davon ab, ob der Landwirt lediglich die Qualität seines Bodens prüfen oder dessen Gesundheit verbessern möchte.
Vielleicht möchte er auch durch Erhöhung des Kohlenstoffgehalts einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten oder aber legt den Schwerpunkt auf die Kompensation von Treibhausgas-Emissionen und den Handel mit CO2-Zertifikaten. Es empfiehlt sich, die Prüfung alle drei bis fünf Jahre zu wiederholen und mit einer Bodendichte-Analyse zu verbinden, um die Auswirkungen von Veränderungen der Bodenbedingungen auf den SOC-Gehalt zu bewerten.
Auf diese Weise können die Landwirte die Kohlenstoffspeicherung in ihren Böden besser nachvollziehen – auch im Hinblick auf eine mögliche Kompensation oder den Zertifikatehandel – und ermitteln einen konkreten Wert in Tonnen Kohlenstoff pro Hektar (t/ha) sowie einen Entwicklungstrend. Für die Entnahmen von Bodenproben gelten die folgenden Voraussetzungen als Best Practice: Prüfung im Herbst und möglichst nur auf Flächen, die seit mindestens sechs Monaten nicht gepflügt und auf denen kein Dünger und keine Gülle ausgebracht wurden.
Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass die Prüfung durch dasselbe Labor und nach demselben Verfahren durchgeführt wird.
Maßnahmen zur Erhaltung und Steigerung
Sobald die Messergebnisse sowie die Ermittlung der Indexkategorien vorliegen können die Landwirte ihre Maßnahmen darauf abstimmen. „Bei als ‚degradiert‘ oder ‚mäßig‘ eingestuften Böden muss der SOC-Gehalt gesteigert, bei ‚sehr guten‘ und ‚guten‘ Böden aufrechterhalten werden“, betont Bolt. Aus diesem Grund ist auch ein Umdenken bezüglich des Pflügens erforderlich.
„Wir müssen uns überlegen, wie und warum wir neu säen – Pflügen ist dabei nach wie vor die am weitesten verbreiteten Bodenbearbeitungsmethoden“, erläutert Bolt. Der weitgehende Verzicht auf das Pflügen und die Einführung neuer Bodenbearbeitungs- und Aussaattechniken sorgen für eine bestmögliche Bodengesundheit und ermöglichen eine Steigerung der Produktivität. Bewährte Praktiken der Grünlandbewirtschaftung, wie die ph-Wert-Optimierung, Düngung mit wirtschaftseigenem Dünger und zielgerichteter Pflanzenschutz, tragen zur Wiederherstellung eines ausreichenden SOM- und SOC-Gehaltes bei, insbesondere auf Graslandflächen, die zur Gewinnung von Silage dienen.
Auch der Weidewirtschaft kommt eine wichtige Funktion zu. „Weidevieh kann neben Vorteilen auch Nachteile mit sich bringen, wenn beispielsweise zu viel Vieh auf den Weiden steht, den Boden aufwühlt und so zur Verschlechterung des Bodens beiträgt“, gibt Bolt zu bedenken. „Die Umtriebsweide eignet sich gut für die Einarbeitung organischen Materials und verbessert gleichzeitig die Produktivität und Langlebigkeit des Grases, so dass Neuaussaaten und die damit verbundene Störung des Bodens vermieden werden können.“
Auch die Vielfalt der Grasnarbe sollte bei den Überlegungen in Betracht gezogen werden. „Es empfiehlt sich auf eine artenreiche Grasnarbe zu setzen, insbesondere mit Hülsenfrüchtlern wie Klee und tief wurzelnden Arten wie Zichorien oder Wegerich.“ „Man schätzt, dass vorher gepflügte Böden ungefähr 20 bis 50 Jahre benötigen, bis sie ihren maximalen Kohlenstoffgehalt erreichen“, gibt Bolt zu bedenken.
„Deshalb gilt es, keine Zeit zu verlieren. In Sachen Wirtschaftlichkeit und Produktivität werden landwirtschaftliche Betriebe umso mehr davon profitieren, je früher sie tätig werden.“
Fallstudie: CO2 mit Milchwirtschaft im Boden binden?
Seit mehr als 30 Jahren bewirtschaftet Familie Collingborn im britischen Chippenham ihren Betrieb unter Beobachtung des Kohlenstoffgehalts im Boden. In einer Fallstudie berichten sie von ihrem Vorgehen und ihren über viele Jahre gesammelten Erfahrungen.