Bio im großen Stil

Mit mehr als 1100 ha ist BV Erf der größte ökolo­gi­sche Acker­bau­be­trieb in den Nieder­landen. Hier werden Strei­fen­anbau und Roboter in der Praxis erprobt. Wir haben dieses außer­ge­wöhn­liche Unter­nehmen besucht.

Es ist eine ruhige Zeit bei BV Erf. Der größte Teil der Ernte ist einge­bracht und die Gründün­gungs­pflanzen wachsen. In der Scheune wird ein großer selbst­fah­render Rüben­roder für die Ernte vorbe­reitet. Rüben ist die einzige Frucht, die in diesem Jahr noch nicht geerntet wurde. Jaco Burgers, der Betriebs­leiter von Erf, zeigt auf die leeren Läger: „Bald werden sie mit dem Ertrag von 75 ha Rüben gefüllt sein.“

Im Hinter­grund sind die Geräu­sche von Umbau­ar­beiten zu hören. Denn hier, in Zeewolde, wird an einem einzigen zentralen Erf-Standort gear­beitet, der auch Büros und Empfangs­räume umfasst. Burgers freut sich darauf, bald noch näher bei seiner Arbeit zu sein. „Momentan sind wir immer noch auf mehrere Stand­orte verteilt. Das ist histo­risch so gewachsen. Unsere Ursprünge liegen im Reichs­dienst für die IJssel­meer­polder. Die BV Erf pachtet Grund­stücke vom Staat und bewirt­schaftet diese, bis sie für das städ­ti­sche Wachstum oder die Infra­struktur benö­tigt werden. Diese reser­vierten Flächen in der Gegend um Almere, Zeewolde und Lelystad sind seit ihrer Urbar­ma­chung nie verteilt worden.“

Bemer­kens­wer­ter­weise wird das gesamte Land ökolo­gisch bewirt­schaftet, einige Grund­stücke bereits seitdem der Polder in den 1970er Jahren zum ersten Mal nutzbar gemacht wurde. 2006 stellte der Betrieb voll­ständig auf ökolo­gi­schen Anbau um. „Zu dieser Zeit wurden die tech­ni­schen Möglich­keiten immer besser. Dies gilt vor allem für die Unkraut­be­kämp­fung. Es gab genaue GPS-Systeme und damit verbunden neue Weiter­ent­wick­lungen bei den Hack­sys­temen. Wir waren stets eng in ihre Entwick­lung und Erpro­bung einge­bunden. Und das sind wir immer noch.“

BV Erf expe­ri­men­tiert auf einer Fläche von 100 ha mit dem Strei­fen­anbau.

Fahr­spuren für die ganze Saison

Die Unkraut­be­kämp­fung bleibt die Prio­rität Nummer eins. „Dazu bedarf es mehr als nur einer guten Ausrüs­tung. Eine gute Unkraut­be­kämp­fung beginnt mit einem eben gepflügten Acker, um gute Ausgangs­be­din­gungen zu schaffen. Wir nutzen unsere Fahr­spuren über die ganze Saison hinweg, indem wir die glei­chen Spuren von der ersten Boden­be­ar­bei­tung bis zur Ernte befahren. Die nicht befah­renen Flächen bleiben also voll­kommen unge­stört. Sämt­liche Maschinen, die wir im Früh­jahr einsetzen, sind 6 Meter breit.

Mit Hilfe der satel­li­ten­ge­stützten Präzi­si­ons­len­kung und kame­ra­ge­steu­erten Hacken für die Unkraut­be­kämp­fung können wir den meisten Unkraut­arten zu Leibe rücken. Alles, was übrig bleibt, muss manuell erle­digt werden.“ Je nach Anbau­plan und Saison spre­chen wir von etwa 25.000 Stunden manu­ellen Jätens.

Für die schwe­reren Arbeiten benutzt Erf Raupen, um so die Belas­tung des Bodens zu mini­mieren. Die Kartof­feln werden in einem einzigen Arbeits­gang gepflanzt und ange­häu­felt. Das ist eine der Aufgaben des John Deere 8RX, des ersten Trak­tors dieser Art in den Nieder­landen, den Erf im vergan­genen Jahr gekauft hat. Er ersetzt ein älteres RT-Model. „Der Vorteil des 8RX ist, dass er sich wie ein Traktor auf Rädern fährt und man ein Anbau­gerät am Front­kraftheber anbringen kann. Wir verwenden ihn für alle schweren Zugar­beiten.“

Die Kartof­feln werden in einem einzigen Arbeits­gang gepflanzt und ange­häu­felt.

Den Kartof­fel­krank­heiten einen Schritt voraus

Für Burgers ist die rich­tige Pflege des Bodens die wich­tigste Voraus­set­zung für gesunde Pflanzen. „Eine Feld­frucht muss beständig wachsen können, dann ist sie weniger anfällig für Krank­heiten und Fäule. Man sieht oft, dass Bio-Feld­früchte im Früh­jahr einen Vorsprung haben, weil der Anbau­plan groß­zü­giger ist und keine Herbi­zide einge­setzt werden. Aber wenn später im Jahr der Druck von Krank­heiten und Fäule zunimmt, dann wird es schwie­riger. Deshalb brau­chen wir gesunde Sorten mit guter Krank­heits­re­sis­tenz.“

Die Kartoffel ist eine der anspruch­vollsten Kultur­pflanzen. Sie wird von der Kraut- und Knol­len­fäule befallen, die prak­tisch jedes Jahr auftritt und zu erheb­li­chen Ertrags­ein­bußen führen kann. Auch im Jahr 2023 mussten Bio-Land­wirte ihre Ernte vorzeitig vernichten, denn Spritzen ist nicht möglich. „Deshalb ist es unser Ziel, früh zu ernten. Das bedeutet, dass man Sorten anbauen muss, die früh­zeitig reif werden und eine gute Krank­heits­re­sis­tenz aufweisen.“

Krank­heiten voraus zu sein, bleibt schwierig, aber unsere Erträge stabi­li­sieren sich.

Jaco Burgers

„Man sollte der Krank­heit so weit wie möglich voraus sein. Trotzdem bleibt es schwierig, aber wegen unserer Erfah­rung können wir stabi­lere Erträge reali­seren. Ich halte es für bedenk­lich, dass der Bio-Sektor in hohem Maße von resis­tenten Sorten abhängig ist. Die Natur ist schlauer als der Mensch, daher wird die Resis­tenz­fä­hig­keit früher oder später abnehmen. Es gibt keine perfekte Lösung. Man ist nie fertig.“

Zucht von Blatt­läusen

Erf betreibt seit 2017 Strei­fen­anbau, um die Pflanzen durch die Art des Anbaus so wider­stands­fähig wie möglich zu machen. Dabei handelt es sich um eine Anbau­me­thode, bei der schmale Streifen mit verschie­denen Pflanzen abwech­selnd ange­baut werden. Die Idee dahinter ist einer­seits, dass sich dadurch Krank­heiten und Fäule weniger schnell ausbreiten. Ande­rer­seits erhalten Nütz­linge eine bessere Ausgangs­lage, indem sie im angren­zenden Streifen Nahrung und Unter­schlupf finden können. Die Studien laufen noch, aber Erf hat die Methode bereits auf 100 ha einge­führt.

„Es ist immer noch eine Heraus­for­de­rung, aber wir können die Vorteile sehen. Messungen der Univer­sität Wagen­ingen zeigen, dass sich zum Beispiel Pilz­krank­heiten weniger schnell ausbreiten. Wenn wir davon ausgehen, dass dies einige Wochen zusätz­li­ches Wachstum ermög­licht, ist das bereits ein großer Gewinn. Auch die Arten­viel­falt hat enorm zuge­nommen. Das liegt auch an der Einfüh­rung der dauer­haften Blüh­streifen. Aber wir züchten nicht nur Nütz­ling heran, sondern auch Blatt­läuse. Man erzeugt ein Gleich­ge­wicht.“

Der Einsatz von Raupen­fahr­zeugen ist eine der boden­scho­nenden Tech­niken, die das Unter­nehmen anwendet.

Je schmaler die Streifen, umso größer sind die posi­tiven Effekte. Deshalb haben sich 6 Meter Stan­dard­breite etabliert.

Strei­fen­anbau bleibt eine Heraus­for­de­rung

Der Strei­fen­anbau ist eine große Heraus­for­de­rung, denn seine prak­ti­sche Umset­zung ist nicht einfach. „Wir haben 2017 mit Streifen in drei Breiten begonnen: 24, 12 und 6 Meter breit. Enger geht es nicht, denn wir müssen sie mit unseren vorhan­denen Maschinen bear­beiten können. Für den posi­tiven Effekt gilt: je schmaler, desto besser. Darum sind 6 Meter die Stan­dard­strei­fen­breite geworden.“

In Sachen Planung und Logistik ist der Strei­fen­anbau ist eine Heraus­for­de­rung, sagt Burgers offen. „Man muss an alles mögliche denken. Das Ernten von Wurzel­ge­müse ist beson­ders schwierig. Vor der Ernte von Zwie­beln, Karotten oder Pasti­naken muss der Streifen daneben bereits abge­erntet sein, sonst kann man mit dem Anhänger nicht dorthin fahren. Manchmal müssen wir alles von einer Seite abholen, weil das Förder­band nur auf einer Seite entladen kann. Wenn man bereits weiß, dass man viel fahren muss, kann man einen Klee­gras­streifen anlegen. Das muss man alles bedenken.“

Kurz gesagt, es erfor­dert zusätz­liche Planung vorab. Eine weitere Heraus­for­de­rung, so Burgers, ist die Bewäs­se­rung. „Mit einer Schlauch­trommel kann man nicht viel anfangen. Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft mit Tropf­schläu­chen arbeiten müssen.“ Es gibt also eine Viel­zahl von Heraus­for­de­rungen. Werden wir Strei­fen­anbau in größerem Maßstab sehen? Burgers meint, es sei noch zu früh, um diese Frage zu beant­worten. „Ich wäre der Letzte, der sagen würde, dass damit alles perfekt wird. Wir bleiben vorerst bei 100 ha, denn es gibt noch viel zu lernen.“

Trotz modernster Ausrüs­tung sind jedes Jahr etwa 25.000 Sunden manu­ellen Jätens erfor­der­lich.

Mecha­ni­sie­rung für Arbeits­er­sparnis

Außerdem inves­tiert Erf Zeit in die Auto­ma­ti­sie­rung. In diesem Jahr gab der Ag-Bot, ein 150 PS starker Robo­ter­traktor, sein Debüt. Die Maschine ist der erste Schritt in Rich­tung Auto­ma­ti­sie­rung leich­terer Feld­ar­beiten und Arbeits­er­sparnis. „In diesem Jahr haben wir Roboter haupt­säch­lich zur Vorbe­rei­tung des Bodens für die Aussaat und zum Sammeln von Erfah­rungen einge­setzt. Ich war erstaunt zu sehen, was er alles kann. Solange man ihm ab und zu auftankt, arbeitet er einfach rund um die Uhr.“

Beim Blick in die Zukunft sieht Burgers Poten­tial für die auto­ma­ti­sche Aussaat und das Hacken sowie für die Arbeit mit leich­teren Anbau­ge­räten. „In Kombi­na­tion mit dem Strei­fen­anbau sind sogar schma­lere Streifen denkbar. Man macht die Menschen damit übri­gens nicht über­flüssig. Denn das Ganze muss immer noch beauf­sich­tigt werden. Alles in allem ist der Roboter immer noch eine dumme Maschine: Wenn man eine Plas­tik­tüte über einen Teil der Hacke stülpt, kann sie es nicht einmal sehen.“

Enge Part­ner­schaften und lang­fris­tige Verein­ba­rungen

Auf die Frage nach der größten Heraus­for­de­rung in den kommenden Jahren antwortet Burgers ohne zu zögern: Es ist der Vertrieb. Der Markt für Biopro­dukte war lange Zeit gut aufge­stellt, aber in den letzten Jahren sind Angebot und Nach­frage aus dem Gleich­ge­wicht geraten. „Theo­re­tisch sind wir an Schwan­kungen gewöhnt. Dass die Lage im Moment so ange­spannt ist, liegt zum Teil daran, dass es mehr Biobauern gibt. Die Regie­rung treibt das voran. Auch in anderen Ländern sind mehr Anbauer dazu­ge­kommen. Länder wie Frank­reich und Deutsch­land waren immer gute Märkte für uns. Aber lokale Produkte werden dort in hohem Maße geför­dert. Das bedeutet weniger Export­mög­lich­keiten für die Nieder­lande.“

Erf ist bestrebt, Risiken durch Part­ner­schaften zu begrenzen. Neben engen Part­ner­schaften mit vieh­hal­tenden Betrieben gibt es auch lang­fris­tige Verein­ba­rungen mit Abneh­mern und anderen Bio-Anbauern in der Nach­bar­schaft.

Auch im Bio-Sektor geht es letzt­lich um den Preis. Vor allem jetzt, wo die Menschen weniger Geld zum Ausgeben haben.

Jaco Burgers

Sie bauen zum Beispiel Rüben für ein Part­ner­un­ter­nehmen an, das diese reinigt, vorkocht und für den Verbrau­cher verpackt. „Unsere Partner haben einen direkten Draht zu den Super­märkten. Das ist ein Vorteil, und wir sind aufgrund unseres großen Volu­mens in einer starken Posi­tion. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es auch im Bio-Sektor letzt­lich um den Preis geht. Vor allem jetzt, wo die Menschen weniger Geld zum Ausgeben haben.“

Für Erf ist das ein Grund mehr, weiterhin Inno­va­tionen voran­zu­bringen. Einer­seits, um den Herstel­lungs­preis niedrig zu halten, ande­rer­seits, um sicher­zu­stellen, dass der Bio-Sektor immer einen Schritt voraus ist. „Der kommer­zi­elle Sektor steht nicht still, dessen sind wir uns wohl bewusst. Aber ich glaube weiterhin an die Kraft des Bio-Sektors.“

Unter­neh­mens­daten

Die Ursprünge von ERF (Explo­itatie Reser­ve­gronden Flevo­land) gehen auf das Jahr 1996 zurück, als 3700 ha Land des ehema­ligen Reichs­dienstes für die IJssel­meer­polder an eine Stif­tung über­tragen wurden. Die Stif­tung hält die Anteile an der BV Erf, die das Land so lange bewirt­schaftet, bis es für städ­ti­sches Wachstum oder Infra­struktur benö­tigt wird. Mit 1100 ha ist das Unter­nehmen der größte private Biobe­trieb in den Nieder­landen. Der Anbau­plan umfasst 100 ha Kartof­feln, 150 ha Zwie­beln, 50 ha Rosen­kohl, 150 ha Rüben, 300 ha Gras, Klee und Luzerne, 100 ha Grün­mais, 50 ha Zucker­mais, 40 ha Pasti­naken, 50 ha Brok­koli und Blumen­kohl. Die BV Erf beschäf­tigt 11 fest ange­stellte Mitar­beiter, die durch Zeit­ar­beits­kräfte ergänzt werden.