Pappeln als Wind­bre­cher

Bäume im Acker leiden in Deutsch­land unter dem schlechten Ruf, die Erträge der Feld­früchte zu beein­träch­tigen. Eine baye­ri­sche Studie hat nun gezeigt: Tun sie auch – aber nur im direkten Umfeld der Bäume. Weiter entfernt stiegen die Erträge von Hafer, Weizen und Klee­gras sogar. Grund dafür soll das güns­ti­gere Mikro­klima sein.

Sepp Braun stellt fest: „Wir Bauern und Förster haben den Schlüssel in der Hand, nicht nur den Klima­wandel aufzu­halten, sondern sogar die Atmo­sphäre wieder herun­ter­zu­kühlen“. Der Bioland­wirt aus dem baye­ri­schen Pulling im Land­kreis Frei­sing hat den Schlüssel nicht nur in der Hand, sondern auf dem Acker: Bäume. Und obwohl alle 60 bis 80 Meter ein drei­rei­higer Pappel­streifen den Acker durch­zieht, verzeichnet er keine gerin­geren Erträge als vor der Pflanz­ak­tion im Jahr 2008. Weizen, Hafer oder Klee­gras – sie alle bringen auf den Hektar Anbau­fläche gemit­telt genauso viel Ertrag wie auf den Nach­bar­flä­chen ohne Baum­streifen. Zu diesem Schluss kam das Forschungs­pro­jekt „Entwick­lung und Erpro­bung eines Agro­forst­sys­tems zur Ener­gie­holz­erzeu­gung im ökolo­gi­schen Landbau“.

Sepp Braun, Bioland­wirt

Wie kann das sein? Zwar sind silvo­arable Agro­forst­sys­teme, in denen Gehölz­pflan­zungen mit Ackerbau kombi­niert werden, in vielen Teilen der Welt hilf­reich oder sogar notwendig für die land­wirt­schaft­liche Produk­tion. Doch kämpfen sie im bisher klima­tisch begüns­tigten Deutsch­land mit dem Ruf, die Erträge zu drücken. Die Bäume stellen ihr Wurzel­wachstum schließ­lich nicht an der Feld­grenze ein.

Wir haben den Schlüssel in der Hand, nicht nur den Klima­wandel aufzu­halten, sondern sogar die Atmo­sphäre wieder herun­ter­zu­kühlen

Sepp Braun

Pappel­streifen zur Ener­gie­ge­win­nung

Schon länger hatte der pfluglos wirt­schaf­tende Bioland­wirt sich mit Wald­gärten, Perma­kultur und Agro­forst beschäf­tigt. In Bayern mangelte es jedoch an Erfah­rung mit Ener­gie­holz aus Agro­forst­sys­temen im biolo­gi­schen Landbau. So wurde er bald zum Initiator der Studie, für die er später seinen eigenen Acker zur Verfü­gung stellte und seine zweite Ener­gie­holz­an­lage pflanzte. Mit dem Holz­ertrag betreibt er den Holz­ver­gaser am Hof, um Energie zu gewinnen. Inzwi­schen sei er ener­gie­autark, berichtet Braun stolz.

Die Bals­am­pap­pel­kreu­zungen Max 1 und Max 3 wurden als Steck­hölzer gepflanzt. So blieben die Anfangs­in­ves­ti­ti­ons­kosten niedrig. Sie stehen in Streifen mitten auf einem 1,2 ha großen Acker im Verband von 1,25 x 1,5 m aus jeweils drei Doppel­reihen quer zur Haupt­wind­rich­tung. Bei 60 bis 80 Metern Abstand und 30 bis 40 Metern Länge nehmen die zehn Meter breiten Baum­streifen etwa 13 Prozent der Acker­fläche ein. Die größte Heraus­for­de­rung war in den ersten Jahren, den Wühl­maus­fraß und den Beikraut­auf­wuchs ohne Herbi­zide im Zaum zu halten. Danach war bis zur ersten Ernte der Pappeln in sieben Jahren nicht mehr viel zu tun. Nicht einmal Düngen war notwendig, da die Bals­am­pappel Versu­chen der LWF Bayern zufolge nicht auf die Nähr­stoff­gaben reagiert.

Die Bals­am­pap­pel­kreu­zungen stehen in Streifen mitten auf einem Acker im Verband aus jeweils drei Doppel­reihen quer zur Haupt­wind­rich­tung.

Weniger Wind, mehr Ertrag

Jähr­lich maßen die Forscher die Ertrags­daten von Hafer, Winter­weizen und Klee­gras, die im Acker neben den Baum­streifen wuchsen. Das Ergebnis: Im direkten Umfeld von fünf bis zehn Metern um die Pappeln herum sank der Ertrag. Doch mit zuneh­mendem Abstand glichen Mehr­erträge diesen Verlust aus. So ergab sich auf die Fläche und über die Jahre gemit­telt kein signi­fi­kanter Unter­schied zwischen der Fläche mit Baum­streifen und dem benach­barten Acker ohne Pappeln. Zudem vermin­derten die Bäume weder die Getrei­de­qua­lität noch die Gesamt­ener­gie­leis­tung des Klee-Gras-Gemenges vermark­tungs­wirksam.

Was klingt wie Hokus­pokus, lässt sich ganz prag­ma­tisch erklären: Die Baum­streifen verrin­gern die Wind­ge­schwin­dig­keit und beein­flussen das Mikro­klima positiv. Direkt hinter den Baum­streifen fiel die rela­tive Wind­ge­schwin­dig­keit auf etwa 40 %. In 50 m Entfer­nung zu den Pappeln lag sie noch immer etwa 20 % nied­riger als sonst.

Was ist ein Agro­forst­system?

Als Agro­forst gelten Land­nut­zungs­sys­teme, die Gehölz­pflan­zungen mit Ackerbau oder Tier­hal­tung kombi­nieren, um gezielt deren posi­tive Wech­sel­wir­kungen zu nutzen. Zwar gelten agro­forst­wirt­schaft­liche Systeme insbe­son­dere im Verbrei­tungs­raum tropi­scher Regen­wälder als ökolo­gisch vorteil­haft im Vergleich zu einer kompletten Rodung. Doch ange­sichts des Klima­wan­dels werden die Systeme auch in Europa wieder popu­lärer. Wieder, weil Agro­forst­sys­teme an sich nichts Neues sind. Insbe­son­dere silvo­pa­sto­rale Systeme, bei denen Tier­hal­tung mit der Forst­wirt­schaft kombi­niert wird, waren lange üblich. Hute­wälder zeugen noch heute von der Wald­wei­de­nut­zung. In modernen euro­päi­schen Agro­forst­sys­temen ergänzen beispiels­weise Nuss­baum- oder Ener­gie­holz­streifen den Getrei­de­acker, was als silvo­ara­bles System bezeichnet wird. Noch relativ unbe­kannt sind dagegen Futter­he­cken für Rinder oder Klein­wie­der­käuer, zum Beispiel aus Hasel oder Weide.

Als Ursache für die ungleich­mä­ßige räum­liche Ertrags­ver­tei­lung vermuten die Wissen­schaftler zum einen die Konkur­renz um Licht und zum anderen heraus­ste­hende Äste, die eine präzise Boden­be­ar­bei­tung nahe der Pappel­streifen erschwerten. „Die Erträge sind im Schat­ten­be­reich der Bäume nied­riger. Natür­lich ist das nicht bei allen Kulturen gleich. Aber diese Einbußen werden durch das bessere Wachstum in der Fläche wieder ausge­gli­chen“, erklärt Braun dazu.

Der Bioland­wirt und andere Projekt­be­tei­ligte vermuten, dass die Baum­streifen ihre Vorteile an anderen Stand­orten noch viel deut­li­cher ausspielen würden. Frei­sing profi­tiere von einer Gunst­lage mit wenig Wind, keiner so hohen Sonnen­ein­strah­lung wie zum Beispiel in Südfrank­reich und guten Böden. „Durch diese Gunst­lage wird der Minder­ertrag um den Baum­streifen herum insge­samt nicht über­kom­pen­siert. Je mehr wir in Gunst­lagen kommen, desto geringer sind die Zuwächse durch Agro­forst. Aber wir konnten zeigen, dass es zumin­dest keine Minder­erträge gibt. Das ist auch ein gutes Ergebnis“, findet Braun.

Wie sich die Gehölze auf die Acker­kultur auswirken, vari­iert unter anderem mit der Baumart, der Pflanz­dichte, dem Alter der Bäume und der Kultur­pflan­zenart.

Bäume können den Ertrag stei­gern

Für die Annahme, dass Agro­forst­an­lagen vor allem in weniger güns­tigen Lagen sinn­voll sind, spricht eine Studie aus Bran­den­burg: Auf den großen, wind­er­o­si­ons­ge­fähr­deten Flächen mit leichten, sandigen Böden ließ sich durch den Anbau von Ener­gie­holz­streifen der Zucker­rü­be­n­er­trag stei­gern. Auch in trockenen Jahren scheinen die Agro­forst­an­lagen höhere Erträge zu begüns­tigen. So maßen die Autoren einer nord­deut­schen Studie im trockenen Jahr 2012 höhere Winter­wei­zen­er­träge im Agro­forst­system als in der baum­losen Kontrolle. Als mögliche Ursache vermu­teten sie die güns­ti­geren Witte­rungs­be­din­gungen im Agro­forst­system.

Wie genau sich die Gehölze auf die Acker­kultur auswirken, vari­iert jedoch unter anderem mit der Baumart, der Pflanz­dichte, dem Alter der Bäume und der Kultur­pflan­zenart. Auch wirkt ein Wald­rand anders als eine viel schma­lere Baum­reihe. Einer belgi­schen Studie zufolge wirkten sich Strei­fen­pflan­zungen aus zwei- bis sieben­jäh­rigen Pappeln kaum auf den Ertrag von (Futter-)Mais, Kartof­feln, Winter­weizen und Winter­gerste aus. In der Nähe von 15 bis 48 Jahre alten Laub­bäumen beob­ach­teten die Forscher dagegen Ertrags­ein­bußen – vor allem bei Mais und Kartof­feln.

Ohne Herbi­zide Pappeln etablieren

Wer im ökolo­gi­schen Landbau Ener­gie­holz­streifen anlegen will, steht vor allem vor einer Heraus­for­de­rung: den Beikraut­auf­wuchs ohne Herbi­zide im Zaum zu halten. Nur so können die Pappeln schon in den ersten Jahren richtig durch­starten. In dem baye­ri­schen Versuch wurden verschie­dene Möglich­keiten der Regu­lie­rung getestet: eine selbst­ab­bau­bare Mulch­folie auf Mais­stärke- Basis sowie Unter­saaten aus Leind­otter, Weiß­klee, Winter­roggen oder Gelb­klee. Mit allen Vari­anten und selbst ohne Beikraut­re­gu­lie­rung konnten die Pappeln erfolg­reich etabliert werden. Den Ergeb­nissen zufolge sind jedoch insbe­son­dere die Unter­saaten Leind­otter, Winter­roggen und Weiß­klee empfeh­lens­wert. 

Unab­hän­giger von Rohstoff­preisen

Sepp Braun kommt derzeit infolge stei­gender Ener­gie­preise unver­hofft in Bereiche, wo sich die eigene Holz­pro­duk­tion zur Ener­gie­er­zeu­gung so richtig lohnt. Er geht auch davon aus, dass die Land­wirt­schaft bald in den CO2-Zerti­fi­ka­te­handel einge­schlossen wird. Dann würden die CO2 bindenden Baum­streifen zusätz­li­ches Einkommen gene­rieren.

Falls es Sie jetzt in den Fingern juckt, selbst Ener­gie­holz­streifen anzu­legen, hat Dr. Frank Burger von der LWF eine wich­tige Botschaft: Auf keinen Fall sollte man Ener­gie­holz mit der Inten­tion anbauen, in sieben Jahren einen super Preis für die Hack­schnitzel zu bekommen. „Dafür schwanken die Rohstoff­preise, auch für Hack­schnitzel, zu extrem“, erklärt der Mitar­beiter der Abtei­lung Forst­technik, Betriebs­wirt­schaft und Holz. Es sei daher wichtig, die Holz­nut­zung in den Betrieb einzu­binden, zum Beispiel als Hack­schnitzel oder Holz­ver­ga­s­er­ware. „Dann bin ich unab­hängig vom Rohöl­preis. Wenn der Preis für einen Liter Heizöl dann auf 20 Cent sinkt, lohnt sich das zwar nicht mehr, aber das muss ich aushalten“, macht Dr. Burger klar.

Frank Burger

Das System Agro­forst kann für mich kostenlos Energie produ­zieren.

Dr. Frank Burger

Die Anlage von Ener­gie­holz­streifen will gut über­legt sein. Denn stehen die Bäume erst einmal, sollten sie nicht vorzeitig gerodet werden müssen – sonst lohnt sich die Anlage nicht. Erst nach mehreren Rota­tionen rentieren sich die Kosten für die Begrün­dung und Rodung der Ener­gie­holz­streifen. „Wenn ich mir nach acht Jahren über­lege, das System wieder umzu­bre­chen, ist das betriebs­wirt­schaft­li­cher Unsinn. Sobald der Agro­forst aus der Amor­ti­sa­tion raus ist, produ­ziert das System für mich ja kostenlos Energie“, erklärt Dr. Burger.

Posi­tive Neben­ef­fekte

Wahr­schein­lich werden Ener­gie­holz­streifen ohnehin nicht die neue Cash-Cow im Betrieb. Aber sie benö­tigen bei gerin­geren Anfangs­in­ves­ti­ti­ons­kosten nach der Etablie­rung nur wenig Pflege. Dabei beein­träch­tigen sie nicht einmal unbe­dingt die Erträge der Feld­früchte, sondern können sie unter Umständen sogar stei­gern. Mit dem Holz, das sie liefern, tragen die Bäume dazu bei, die Betriebs­kosten zu redu­zieren. Dass während der Verga­sung Pflan­zen­kohle entsteht, mit der Kompost, Stall­mist und Acker­boden aufbes­sern kann, sieht Braun als weiteren Vorteil. Außerdem würden die Pappel­streifen die Arten­viel­falt berei­chern und damit den Betrieb resi­li­enter machen.

Bäume hinter­lassen guten Boden. Durch die Blätter, Wurzeln und Regen­würmer unter den Pappeln wird der Humus gut.

Auch Regen­würmer fühlen sich unter den Pappeln wohl. Draußen im Pappel­streifen muss Brauns Hündin nur ein wenig graben und schon tummeln sich die Regen­würmer an der Ober­fläche. „Die Regen­wurm­bio­masse ist unter der Pappel wesent­lich höher als unter einer Buche“, erklärt Dr. Burger, der den Land­wirt heute begleitet. Braun träumt schon von dem guten Boden, den die Pappeln nach einer 40-jährigen Nutzungs­dauer hinter­lassen werden. „Unvor­stellbar, was durch die Blätter und Wurzeln an Humus in den Boden kommt“, findet er. Er sei über­zeugt, dass die Land­wirt­schaft auf Dauer nicht mehr um diese Systeme herum­kommen werde. Heraus­for­de­rungen wie Klima­schutz, Wasser­schutz, Arten­schutz, Boden­schutz und Trink­was­ser­schutz machten sie nötig.

Betriebs­daten Biolandhof Braun

  • 6 ha Wald, 58 ha Land­wirt­schaft­liche Nutzung, davon 17 ha Grün­land und 41 ha Acker­land
  • Milch­vieh mit Milch­ver­ar­bei­tung am Hof (22-25 Kühe inkl. Nach­zucht), 400 Hühner, 6 Schweine als Reste­ver­werter
  • Lage: in der nörd­li­chen Münchner Schot­ter­ebene im Boden-Klima­raum Terti­är­hü­gel­land Donau-Süd
  • Bodentyp: Para­rend­zina im Über­gang zu einem kalk­hal­tigen Gley
  • Bodenart: sehr variabel von Schwemm­land­böden, Schot­ter­böden und anleh­migen bis hin zu lehmigen Böden, Boden­zahl: 22-59
  • Versuchs­fläche: schluf­figer Lehm, Boden­zahl: 54, pH-Wert: 7,4, Corg-Gehalt: 4,0 %
  • NS 820mm/Jahr
  • Feld­früchte: Hafer, Winter­weizen, Klee­gras, Sommer­ge­treide, Dinkel, Roggen, Kartof­feln

Sie wollen Baum­streifen anlegen? Hier kommen 3 Tipps von Dr. Frank Burger:

  1. Wenden Sie sich früh­zeitig an das Amt für Land­wirt­schaft, um recht­liche Fragen zu klären. In Bayern würde ich die Ener­gie­holz­streifen nicht als Agro­forst sondern als Mini-KUP bezeichnen, weil die Agro­forst­wirt­schaft nicht im baye­ri­schen Wald­ge­setz genannt wird. Wenn ich vorab zum entspre­chenden Land­wirt­schaftsamt gehe und eine Erlaubnis einhole, ist sicher, dass ich das auch wieder roden darf.
  2. Die Agro­forst­an­lage unbe­dingt in den Betrieb inte­grieren, damit man die irrwit­zigen Schwan­kungen bei den Agrar­preisen abpuf­fern kann (z.B. mit Hack­schnit­zel­hei­zung für den Hof).
  3. Man sollte sich genau über­legen, welches System man macht – zum Beispiel ob Agro­forst oder KUP, weil einen das sein ganzes Leben begleiten wird, bis man den Hof über­gibt.