Frei­land­schweine: Tier­wohl trifft Markt­er­folg

Peter Bruun und Lene Conradsen haben auf ihrem Hof Greens­gaard eine erfolg­reiche Nische zwischen konven­tio­neller und ökolo­gi­scher Schwei­ne­pro­duk­tion gefunden. Sie erfüllen hohe Anfor­de­rungen an das Tier­wohl mit einer nied­rigen Schwei­nes­terb­lich­keit – und das zu einem Preis, den die Verbrau­cher schätzen.

Die Sauen auf dem Hof Greens­gaard bei Give in Däne­mark haben viel Platz. Jedes der 1050 Schweine streift auf einer Fläche, so groß wie ein mittel­großes däni­schen Einfa­mi­li­en­haus­grund­stück, umher. Peter Bruun und Lene Conradsen, das Paar hinter dem Hof, liefern ihre gesamte Jahres­pro­duk­tion von 29.000 Schweinen unter der Marke „Frilands­grise fra Peter og Lene“ an die Einzel­han­dels­kette Rema 1000. 

Als sie 2018 mit ihrer Zusam­men­ar­beit begannen, war zunächst eine Liefe­rung von 330 Schweinen pro Woche verein­bart. Aller­dings produ­zierten sie 360 Tiere, und die Einzel­han­dels­kette zögerte anfangs, diese Menge abzu­nehmen. Aber das Fleisch aus Frei­land­hal­tung wurde von den Kunden so gut ange­nommen, dass das Paar die Anzahl ihrer Sauen in den vergan­genen sieben Jahren nahezu verdop­pelte. 2022 musste Rema 1000 noch einen weiteren Schwei­ne­halter als Liefe­ranten hinzu­nehmen, um die Nach­frage zu befrie­digen.

Peter Bruun und Lene Conradsen haben ihre Liefe­rungen an die Einzel­han­dels­kette bisher begrenzt, weil der Hof Greens­gaard für sie genau die rich­tige Größe hat. Sie haben eine gute Balance zwischen Wirt­schaft­lich­keit, Tier­wohl, Arbeits­ab­läufen, Mitar­bei­tern, Tieren und Land gefunden. Ein weiteres Wachstum steht daher momentan nicht an.

Produk­tion im festen Verbund

Im großen Küche von Greens­gaard sind nach der gemein­samen Kaffee­pause am Morgen mit der Bespre­chung der Tages­ar­beit und Klärung verschie­dener Fragen und Anliegen keine Mitar­beiter mehr zu sehen. Auf dem Tisch steht noch etwas selbst­ge­ba­ckener Kuchen – das ist hier keine Selten­heit. An der Wand hängt eine große Tafel mit Namen und Aufgaben der Mitar­beiter. So weiß jeder, was er zu tun hat – ebenso die Kolle­ginnen und Kollegen. Falls jemand der rund 20 Mitar­beiter Fragen hat, stehen Lene und Peter bereit, um diese vor dem Arbeits­be­ginn zu klären.

Trotz ihres Erfolgs haben Lene Conradsen und Peter Bruun der Herden­größe eine Grenze gesetzt. Die derzei­tige Balance passt gut zu ihnen.

Zuständig für die „Frei­land­schweine von Peter und Lene“ sind drei Part­ner­un­ter­nehmen mit jeweils eigenen Aufgaben: Die Schwei­ne­erzeu­gung findet auf dem Hof Greens­gaard statt. Das Unter­nehmen Tamaco erle­digt die Schlach­tung, und Rema 1000 hat sich verpflichtet, sämt­liche Schweine abzu­nehmen, damit das Fleisch in einem däni­schen Kreis­lauf bleibt. Die funk­tio­nale Auftei­lung zwischen den drei Part­nern ist klar. Oder, wie Peter Bruun es ausdrückt: „Unser Wissen über das Schwein endet, wenn es die Lade­rampe hinauf­geht.“

Ebenso klar ist auch die Arbeits­tei­lung auf dem Hof Greens­gaard gere­gelt. Lene Conradsen kümmert sich um die Frei­land­schweine sowie die lang­fris­tige Planung für Sauen und Ferkel, während Peter Bruun für die Ställe zuständig ist. Denn die Ferkel werden nach fünf Wochen in einen Stall mit viel Platz, Stroh und entspre­chendem Auslauf gebracht und gemästet. „Außerdem ist er auch für die Instand­hal­tung des Hofes zuständig und bezahlt die Rech­nungen“, fügt Lene Conradsen lachend hinzu.

Mitar­bei­ter­bin­dung durch Wert­schät­zung und Vertrauen

Die Besa­mung von 1050 Sauen, die Kastra­tion von fast 15.000 Junge­bern, die Mast von 29.000 Schweinen und die Versor­gung der gesamten Herde, von der sich ein großer Teil auf 90 Hektar frei bewegt, mit Futter, Wasser und Einstreu, erfor­dert viele geschickte Hände und kluge Köpfe. Und das in einem Beruf, der häufig körper­liche Arbeit erfor­dert. „Wie rekru­tieren Sie ihre Mitar­beiter?“ 

Schwei­ne­hütten, soweit das Auge reicht, in der Region Zentral­jüt­land in Däne­mark.

„Wir bekommen sie nicht. Wir behalten sie“, sagt Lene selbst­be­wusst und erklärt: „Vor der Einstel­lung von Mitar­bei­tern legen wir großen Wert auf das Vorstel­lungs­ge­sprächs.“ Wir möchten, dass die Bewer­be­rinnen und Bewerber verstehen, dass sich jeder hier wohl­fühlen soll, dass wir einen respekt­vollen Umgang pflegen, und dass wir zusam­men­ar­beiten und einander achten.

Diese Anfor­de­rungen schre­cken die Mitar­beiter, darunter viele Dänen, nicht ab. Einige von ihnen haben bereits jahre­lange Erfah­rung bei Greens­gaard gesam­melt. Manche sind sogar schon seit zehn oder zwanzig Jahren hier, fügt Peter hinzu. Ihm ist es wichtig, dass jeder gern zur Arbeit kommt und sie ihm besten­falls Spaß macht. Für die Mitar­bei­ter­bin­dung sorgt auch das Turnen am Mitt­woch – für alle, während der Arbeits­zeit und mit Gehalt.

Präzise Abläufe für gesunde Tiere

Fließ­bänder werden im Allge­meinen mit der Indus­trie in Verbin­dung gebracht. Ein Mitar­beiter führt immer wieder dieselben drei Aufgaben aus, während das Produkt an ihnen vorbei­rollt. Nichts könnte weiter von der Arbeit bei Greens­gaard entfernt sein, und doch trifft es irgendwie zu. Bei so vielen Tieren, die zu unter­schied­li­chen Zeiten unter­schied­liche Bedürf­nisse haben, sind Abläufe der Fließ­band­pro­duk­tion ein Vorteil. Nur „rollen“ hier die Mitar­beiter über viele Hektar an den Schweinen und ihren Hütten vorbei.

Nach einer voll­stän­digen Keulung des Bestandes aufgrund von Krank­heiten sind die Sauen nun alle von der Rasse Topigs Norsvin.
Sie haben mehr Zitzen haben und trotzdem produ­zieren sie klei­nere Würfe.

Ein Beispiel ist die Kastra­tion: In den ersten fünf bis sieben Tagen werden die Ferkel in der Hütte gehalten, wo sie kastriert werden. Dazu wird die Sau mit Futter aus der Hütte gelockt. Der Mitar­beiter über­prüft das Geschlecht, verab­reicht eine Betäu­bung, führt die Kastra­tion durch, inji­ziert ein Schmerz­mittel und setzt das Ferkel wieder in die Herde zurück. Der Prozess an sich dauert nicht lange, aller­dings wird er an drei Wochen­tagen wieder­holt.

Bei der Besa­mung läuft es anders. Früher wurden die Sauen im Freien besamt, aber Sonne, Wind und Wetter können dazu führen, dass der Brunst­zy­klus von Sau zu Sau leicht schwankt, sodass nicht alle Sauen zum Zeit­punkt der Besa­mung brünstig waren. Nicht einmal, wenn ein wohl­rie­chender Eber zur Anre­gung einge­setzt wurde. „Heute bringen wir die betref­fenden Sauen jetzt für vier bis sechs Tage in den Stall. Dort werden sie brünstig, besamt und danach wieder ins Freie gelassen“, erklärt Peter Bruun.

Schwei­ne­leben unter freiem Himmel

Abge­sehen von den Besa­mungs­zeiten der Sauen verbringen sie ihr ganzes Leben im Freien. Das Abfer­keln passiert in Schwei­ne­hütten, und die Ferkel bleiben unab­hängig vom Wetter bis zum Absetzen bei der Sau. „Die Schweine fühlen sich im Winter­wetter wohl“, sagt Lene Conradsen. Tatsäch­lich ist der Winter die einfachste Jahres­zeit, um Schweine im Freien zu halten. „Abge­sehen davon, dass wir oft mit Stirn­lampen herum­laufen“, fügt sie lächelnd hinzu. „Im Sommer ist viel mehr Arbeit erfor­der­lich. Beispiels­weise benö­tigen wir viel mehr Wasser, weil wir Schlamm­gruben anlegen müssen, in denen die Schweine baden können. Und der Schlamm muss die rich­tige Konsis­tenz haben, weil er die Schweine vor Sonnen­brand schützt.“

Nur vier bis sechs Tage werden die Sauen im Stall gehalten. In dieser Zeit werden sie brünstig und besamt.

Zur Frei­land­hal­tung gehört auch das Aufstellen und Instand­halten von Zäunen. In Greens­gaard gibt es sieben Kilo­me­tern Zaun. Die Zäune sollen verhin­dern, dass Füchse zu den Schweine vordringen, um an die kleinen Lecker­bissen zu gelangen. Aller­dings stellen Möwen, Raben und Saat­krähen weiterhin eine Bedro­hung für die Ferkel dar. „Wir versu­chen, sie mit verschie­denen Abschre­ckungs­mit­teln fern­zu­halten, denn wir dürfen nur eine sehr kleine Anzahl von Tieren schießen, weshalb die Popu­la­tion zunimmt“, erklärt Peter Bruun. 

Seit dem Beginn im Jahr 2003 schwört das Ehepaar auf Schweine aus Frei­land­hal­tung. Peter Bruun, ausge­bil­deter Land­wirt, lernte diese Haltungs­form in England kennen und über­nahm sie, als er sich nach mehreren Jahren als Pädagoge und Mitar­beiter der däni­schen Kirchen­hilfe als Land­wirt nieder­ließ. Lene Conradsen wollte eigent­lich Tier­ärztin werden. Sie entschied sich dagegen, weil sie über­zeugt ist, dass das Leben in Frei­land­hal­tung dem natür­li­chen Verhalten der Tiere sehr ähnlich ist. „Es macht mich jeden Tag stolz, wenn ich zwischen den Tieren bin und sehe, dass es ihnen gut geht und sie zufrieden sind“, sagt sie. 

Der Zaun hält zwar die Füchse fern, aber die schwarzen Raben­vögel stellen eine Bedro­hung für die Ferkel dar.

Tier­wohl ohne Öko-Label

Das Paar könnte auch einen nächsten Schritt machen und Greens­gaard als biolo­gi­schen Frei­land­be­trieb führen. Sie haben darüber nach­ge­dacht – sich aber letzt­lich dagegen entschieden. Sie geben offen zu, dass sie im Herzen keine Ökologen sind. Ihr Herz schlägt für die Frei­land­hal­tung, bei der das Wohl und die Gesund­heit der Tiere an erster Stelle stehen. Sie schätzen diese Art der Tier­hal­tung und loben eine vernünf­tige Land­wirt­schaft, bei er kein Gramm Dünger, Pestizid usw. mehr verwendet wird als nötig ist.

Als Kritik an der Frei­land­hal­tung wird manchmal die Ferkels­terb­lich­keit vorge­bracht. In diesem Punkt schneiden sie vergleichbar oder besser ab als konven­tio­nelle und ökolo­gi­sche Betriebe. Jedes Jahr werden die Sauen auf neue Weiden getrieben, und der alte „Frei­lauf­stall“ wird in Acker­land umge­wan­delt, auf dem Feld­früchte die Nähr­stoffe aus dem Schwei­ne­dung aufnehmen. Stroh und Futter­reste aus den Frei­land­be­rei­chen werden zusammen mit Dung und Einstreu aus den Ställen zu Biogas verar­beitet. 

Über Greens­gaard

  • Futter wird zuge­kauft
  • 1050 Sauen in Frei­land­hal­tung, Schlach­tung nach drei Jahren
  • 29.000 Schlacht­schweine pro Jahr
  • Rund 20 Mitar­beiter, was 17 bis 18 Voll­zeit­stellen entspricht
  • 420 ha, teil­weise verpachtet
  • Jähr­li­cher Stroh­ver­brauch: 1,7 bis 2 Millionen kg Stroh, eigene Produk­tion 

Im Jahr 2022 betrug die Ferkels­terb­lich­keit (einschließ­lich Totge­burten und Todes­fällen im Abfer­kel­stall) in konven­tio­nellen Betrieben 23 Prozent und in ökolo­gi­schen Betrieben 30 Prozent. Bei Greens­gaard beträgt der Anteil nur 18 Prozent. Die nied­rige Zahl hat jedoch einen ernsten Hinter­grund. Im Laufe der Jahre bekamen die Schweine mehrere Krank­heiten und schließ­lich auch die Lungen­er­kran­kung APP2.  Nachdem verschie­dene Maßnahmen zur Bekämp­fung der Probleme auspro­biert wurden, entschied sich das Paar im Jahr 2022/23 schweren Herzens, die gesamte Herde zu keulen. Eine kost­spie­lige Ange­le­gen­heit, die sie vier Millionen Kronen gekostet hat.

„Bei dieser Gele­gen­heit stellten wir auf Sauen der Rasse Topigs Norsvin um“, sagt Peter Bruun. „Sie haben zwei zusätz­liche Zitzen und bringen durch­schnitt­lich vier Ferkel weniger pro Wurf zur Welt. Der Vorteil besteht darin, dass die Ferkel dadurch größer und robuster sind. Wir vermeiden Stress bei den säugenden Sauen und haben eine nied­rige Sterb­lich­keits­rate bei den Ferkeln.“ „Glück­li­cher­weise hat die Bank damals zuge­stimmt“, lautet die ruhige Antwort.