In dem Gemeinden Norfolk und Suffolk in East Anglia wurden 120 Mio. Pfund in ein emissionsarmes Gewächshausprojekt für die nachhaltige Massenproduktion von Gemüse investiert.
Die Idee für die Gewächshäuser mit einer Fläche von insgesamt 28,3 Hektar an zwei Standorten stammt von Low Carbon Farming und wird vom größten Investor in erneuerbare Energien Großbritanniens, Greencoat Capital, finanziert. Sie sind in der Lage, 12 % des Tomatenbedarfs von ganz Großbritannien zu decken – mit 75 % weniger Kohlenstoffemissionen als bei herkömmlichen Gewächshäusern. Dafür setzen sie auf Technologien für erneuerbare Energien, die es so noch nie zuvor gab, sowie Kreiswirtschaft.
Mark Dykes, Director bei Step Associates, betreut das Projekt. Er sagt: „Das Gewächshausprojekt ist eine gemeinsame Anstrengung, um zu zeigen, wie Nahrungssicherheit nach dem Brexit aussehen und wie man die Kohlenstoffemissionsziele für 2030 erreichen kann.
Die Bauarbeiten haben im September 2019 begonnen. Für den Bau der Gewächshäuser und des Wärmepumpensystems brauchten wir 14 und für die Straßenarbeiten sechs Monate.“
Die Gewächshäuser für kontrollierte Bedingungen
Die sieben Meter hohen Gewächshäuser verteilen sich auf zwei Agrarstandorte, Crown Point Estate in Norwich und Ingham in Bury St Edmunds, und bieten eine Anbaufläche von 16 bzw. 13 Hektar. „Wir haben zwei je 8 Hektar große Gewächshäuser in Crown Point Estate und ein ein Gewächshaus in Ingham“, erläutert Dykes. Für beide Standorte wurden jeweils mehr als fünf Kilometer Rohre verlegt und mehr Glas verwendet als für den Londoner Wolkenkratzer The Shard.
Konstruiert wurden die Gewächshäuser vom niederländischen Spezialunternehmen BOM Group. Sie bieten eine kontrollierte Anbauumgebung, in der die Pflanzen hydroponisch angebaut werden, also in nährstoffreichem Wasser statt in herkömmlichem Boden. Aktuell (Juni 2021) werden in den Gewächshäusern vertikal auf 177 km Pflanzrinnen Salaterzeugnisse angebaut: Tomaten, Gurken und Paprika. Im Vergleich zum Anbau auf dem Feld können die Gewächshäuser das zehnfache an Erntegut produzieren und verbrauchen dabei nur ein Zehntel der üblichen Wassermenge.
Jedes Gewächshaus ist in 16 verschiedene Zonen eingeteilt, die unabhängig voneinander beheizt werden können. Es gibt außerdem drei Wände, die geöffnet oder geschlossen werden können, um Bereiche zu isolieren. „Das ermöglicht es uns, gleichzeitig verschiedene Pflanzen und verschiedene Wachstumsstadien unterzubringen. Außerdem können wir so über das ganze Jahr hinweg anbauen und ernten“, erklärt Dykes.
„Jedes Gewächshaus sollte durchschnittlich bei vier Ernten pro Jahr liefern, aber das hängt natürlich von den angebauten Pflanzen und der Fruchtfolge ab. Die erste Ernte gab es im Mai 2021.“ Umweltcomputer kontrollieren mithilfe von künstlicher Intelligenz die Umgebung und nutzen dafür auch Wetterdaten des meteorologischen Dienstes Großbritanniens. Die Dächer sind so gestaltet, dass das natürliche Licht maximiert wird, indem das Glas das Licht gleichmäßig über alle Pflanzen streut. „Die strikte Überwachung gewährleistet die biologische Sicherheit und ein einheitliches, gesundes Wachstum der Pflanzen.“
Innovationen bei der Ressourcennutzung
Wichtiger als der Umfang des Projekts sind jedoch die Innovationen und die Technik hinter der Ressourcennutzung, die dafür sorgt, dass diese Gewächshäuser 75 % weniger Emissionen ausstoßen als herkömmliche kommerzielle Gewächshäuser.
Die Standorte wurden speziell wegen ihrer Nähe zu den Wasseraufbereitungsanlagen von Anglian Water ausgesucht. Dykes erläutert: „Die Wärme wird dem gereinigten Abwasser in den Wasseraufbereitungsanlagen entzogen und in eine Wärmeträgeranlage geleitet, bevor sie zu den zwei Kilometer entfernten Erdwärmepumpen an den Standorten der Gewächshäuser weitergeleitet wird. Diese Arbeiten wurden vom spezialisierten Energiedienstleister Clancy Group übernommen.
Die Erdwärmepumpen können die Wärme dann in die Gewächshäuser abgeben.“ Der Wärmespitzenbedarf liegt bei 32 MW in Crown Point und bei 26 MW in Ingham und bringt die Temperaturen im Gewächshaus auf circa 13 °C. Das ist ungefähr die Menge an Wärmeenergie, die für das Beheizen von 20.000 Wohnhäusern benötigt wird.
„Die Abwärmerückgewinnung ist völlig neu, und ihre Entwicklung beinhaltet Großbritanniens größtes System von Wärmepumpen. Und da es sich um ein Projekt mit erneuerbaren Energien handelt, konnten wir uns für Fördermittel im Rahmen des Renewable Heat Incentive (RHI) bewerben.“
Der Strom, der von den KWK-Anlagen produziert wird, erfüllt circa 85 % des Standortbedarfs an Elektrizität.
Mark Dykes
Der Strom für die Wärmepumpen und die Standorte wird von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen) in Crownpoint und Ingham produziert, mit einer installierten Leistung von 3,6 bzw. 2,4 MW. „Der Strom, der von den KWK-Anlagen produziert wird, erfüllt circa 85 % des Standortbedarfs an Elektrizität“, führt er weiter aus.
Die Abwärme der Anlagen wird wiederverwendet und dafür genutzt, bei Bedarf die Gewächshaustemperaturen zu erhöhen. „Die Wärme, die von den KWK-Anlagen produziert wird, wird aufgefangen und in Heißwassertanks gespeist, die es ermöglichen, die Gewächshaustemperaturen auf bis zu circa 27 °C zu erhöhen.“
Die Standorte sind zudem mit einer Infrastruktur ausgerüstet, die das produzierte Kohlendioxid wieder auffängt, reinigt und wieder in die Gewächshäuser einspeist, um den Bedarf der angebauten Pflanzen zu stillen. Gegenüber einem herkömmlichen Gewächshaus werden damit durchschnittlich 1,2 Mio. Tonnen Kohlenstoff eingespart.
Die schiere Menge an Glas steigert dabei die Effizienz der Wassernutzung. Dykes legt dar: „Wir sind in Lage, das von den Gewächshäusern ablaufende Regenwasser aufzufangen und zu speichern – über beide Standorte verteilt verfügen wir über einen 200.000 m3 großen Wasserspeicher.“
Für einen unterbrechungsfreien Betrieb verfügen die Standorte über Kontrollmaßnahmen. „Es gibt zwei Gasboiler und Ersatzgeneratoren sowie den Wärmebedarf für zwei Tage in Puffertanks ‒ all dies als Absicherung für den Fall, dass irgendetwas ausfällt.“
Ein neues Anbaukonzept
Die Gewächshäuser ermöglichen ein neues Anbaukonzept. „Sie sind ein übertragbares Konzept – die Konstruktion kann an einem anderen Standort reproduziert werden und bietet damit die Möglichkeit, die heimische Produktion zu erhöhen“, fügt er hinzu.
Die Konstruktion kann an einem anderen Standort reproduziert werden und bietet damit wirklich die Möglichkeit, die heimische Produktion zu erhöhen.
Mark Dykes
Aber wie groß müssen die Gewächshäuser wirklich sein? Dykes meint: „Es kommt auf den Skaleneffekt an. Durch diese größeren, emissionsarmen Gewächshäuser kann die Effizienz der Nahrungsproduktion erhöht und der CO2-Fußabdruck des Sektors gesenkt werden. Die größeren Gewächshäuser verringern die logistischen Herausforderungen, Emissionen und Kosten, die man bei vielen, weit verstreuten kleineren Gewächshäusern hätte.“
Zudem eröffnen die Gewächshäuser Möglichkeiten über die Nahrungsmittelproduktion hinaus. „Jeder Standort hat 200 neue Arbeitsplätze geschaffen, zusätzlich eröffnet die Bandbreite der Arbeit und benötigen Fähigkeiten viele Möglichkeiten.“