Die endlosen Hügel der Flint Hills strahlen eine Ruhe aus, die fast schon trügerisch ist. Denn wer im Frühling auf dem Interstate-Highway im Osten Kansas unterwegs ist, sieht zwar viele Rinder friedlich auf den nährstoffreichen Weiden grasen. Begibt man sich jedoch hinter die Kulissen auf die schmalen Asphalt- und staubigen Schotterstraßen, die durch die letzten Überbleibsel der nordamerikanischen Hochgrasprärie führen, wird man Zeuge des turbulenten Weideauftriebs in den Flint Hills. Tausende von Sattelschleppern, von denen jeder hundert und mehr Rinder der Rassen Angus, Hereford, Simmental, Brahman und Kreuzungstiere befördert, rattern rund um die Uhr über die Hügel und durch die einzelnen Dörfer, um fast eine 1 Mio. Rinder zu ihren Weiden zu transportieren.
„Beim Weideauftrieb geht es etwas verrückt zu“, sagt Pat Swift, Leiter einer Viehtransportstation in Cottonwood Falls. „Ich belade täglich bis zu 75 LKWs und es gibt noch drei oder vier andere im Ort, die genauso viele verladen.“ Mike Holder, Verwalter im Bezirk Chase County, kennt die genauen Zahlen hinter dieser jährlichen Kraftanstrengung: „Hier in der Gegend leben rund 2.900 Menschen. Die Farmer und Züchter ziehen über das Jahr etwa 2.000 Rinder auf. Von Ende April an bringen ungefähr 20 Tage lang mehr als 1.000 LKWs gut 120.000 Mastrinder in unsere Gegend. Dabei macht sie nur 10 % der Flint Hills aus.“
Entscheidender Faktor Zeit
Entscheidend sei vor allem der Zeitpunkt des Auftriebs, so Cliff Cole, Leiter einer Management-Gruppe, die für sieben Farmen mit über 50.000 Rindern verantwortlich ist. „Unsere Tiere müssen so viel wie möglich zunehmen, daher müssen wir sie rechtzeitig auf die Weiden treiben“, betont Cole. Wie er sagt, wird der Großteil der Wiederkäuer mit einem Gewicht zwischen 180 und 270 kg angeliefert.
„Die Rinder kommen von überall her, teilweise von mehr als 1.600 km Entfernung“, fügt Pat Swift hinzu und weiter: „Sie stammen aus Mexiko, Kansas, Oklahoma und Texas, andere aus Tennessee, Alabama sowie dem Südosten.“ Angst vor Krankheiten durch die Zusammenführung der Tiere haben die Farmer nicht. Einerseits sortieren sie schon vor der Fahrt kranke und schwache Rinder aus, andererseits sind die meisten bereits in großen Herden aufgezogen worden.
Weidepacht hängt am Maispreis
Die LKWs transportieren die Rinder heute aus dem gleichen Grund in die Flint Hills, aus dem dies 150 Jahre lang Eisenbahnwagen und Viehtriebe taten. Die Grassteppe gilt als der wirksamste und ökonomischste Ort in der Welt, um eine hohe Gewichtszunahme bei Rindern zu erreichen. Zu Beginn des Frühjahrs enthält das heimische Bartgras (Andropogon gerardii) auf dem Weideland so viele Proteine und Mineralien, dass die tägliche Gewichtszunahme bei den Einjährigen praktisch so hoch ist wie bei einer Maisfütterung.
Im mittleren Missouri schaffen unsere Rinder tägliche Zunahmen von 500 bis 800 g. Wenn wir sie aber von April bis September in den Flint Hills weiden lassen, sind es zwischen 1.200 bis 2.000 g.
Taylor Grace
Die Kosten und der Arbeitsaufwand sind allerdings wesentlich niedriger. „Das Gras ist wirklich erstaunlich“, sagt Taylor Grace, ein Viehzüchter aus dem rund 150 km entfernten Missouri „Im mittleren Missouri schaffen unsere Rinder tägliche Zunahmen von 500 bis 800 g. Wenn wir sie aber von April bis September in den Flint Hills weiden lassen, sind es zwischen 1.200 bis 2.000 g.“ Der Züchter arbeitet nebenbei auf der benachbarten Henderson Ranch, wo er bei der Rinderaufzucht mithilft. „Im April bringen wir Tausende von Rindern auf Weiden, die wir in den Flint Hills pachten – je nach Bedarf mit doppeltem Besatz oder Programmen für die ganze Saison. Die Pachtgebühr für Weideland ist stark vom Maispreis abhängig und beträgt 60 bis 115 € pro Tier“, erklärt Grace.
Frühzeitige Beweidung für große Gewichtszunahme
Vor drei Jahrzehnten entwickelten Wissenschaftler an der staatlichen Universität in Kansas ein intensives Viehbesatzprogramm, das für viele Höfe in den Flint Hills weitreichende Konsequenzen sowohl für den Jahreskalender als auch den Umsatz hatte. Beim traditionellen, die ganze Saison umfassenden Programm befindet sich das Vieh 150 Tage lang bei einem Besatz von etwa 1 Tier pro 1,6 ha Fläche auf der Weide. Bei der intensiven, frühzeitigen Beweidung wird dagegen die Tatsache genutzt, dass die größte Gewichtszunahme im ersten Teil der Saison erzielt wird.
Wie Mike Holder erläutert, können bei einer Verdoppelung oder sogar Verdreifachung des traditionellen Viehbesatzes auf der Fläche Rinder nach nur 90 Tagen auf der Weide anschließend zur Endmast in die Feedlots (Mastbetriebe) gebracht werden, wo sie mit energiereichem Kraftfutter gemästet werden. Diese befinden sich üblicherweise im Westen von Kansas, in Nebraska, Oklahoma und Texas. Studien belegen, dass die intensivere Produktionsweise zusätzlich 40 kg Rindfleisch pro ha ermöglicht.
„So viele Farmen haben auf eine intensive frühe Beweidung umgestellt, dass das Chaos, wenn das Vieh im Juli von der Weide getrieben wird, schon fast so groß ist wie beim Auftrieb. Da die Tiere dann 90 bis 140 kg mehr wiegen als bei ihrer Ankunft, werden für ihren Abtransport sogar noch mehr Fahrzeuge benötigt“, erzählt Mike Holder. Bezahlt werden die Tiertransporteure nach Meilen und nicht nach Anzahl der Tiere.
Es gibt vor allem drei Ursachen für die Schönheit und Pracht der Flint Hills: eine dünne Humusschicht, Brände und die Weidekultur. Ersteres bezieht sich auf die eingebetteten Schiefer- und Kalksteinschichten, auf die die ersten Siedler stießen. Ihnen ist es zu verdanken, dass 1,8 Mio. ha des Graslands von ihren Pflügen verschont blieben, denen der Rest der ursprünglich 60 Mio. ha großen Hochgrasprärie zum Opfer fiel.
Feuer spielt seit langem eine wesentliche Rolle für das Ökosystem der Flint Hills. Regelmäßig auftretende Brände, ob natürlich oder absichtlich verursacht, steigern die Produktivität des Bodens und beseitigen Unkraut und Pflanzenarten, die die Steppe ansonsten in Waldland verwandeln würden. Clenton Owensby von der Universität in Kansas erklärt, dass Ochsen ein um etwa 14,5 kg höheres Gewicht erreichen, wenn sie auf Grünland grasen, bei dem zu Beginn des Frühjahrs die dominanten Hochgrasarten abgebrannt wurden. „Brände entfernen das alte Gras, sodass sich die Erde aufwärmen kann. Dies kurbelt die mikrobielle Aktivität im Humus und die Nährstoffaufnahme an. Durch das Feuer werden zudem Nährstoffe im alten Material freigesetzt“, begründet er die Maßnahme.
Rauch als Teil des Lebens
Wo Feuer ist, ist immer auch Rauch und die teilweise sehr hohe Rauchentwicklung hat zu Besorgnis um die Luftqualität in Gemeinden auf der windabgewandten Seite der Flint Hills geführt. Vor zwei Jahren entwickelten die dort ansässigen Farmer zusammen mit der Umweltbehörde EPA und staatlichen Mitarbeitern im Gesundheitswesen einen freiwilligen „Smoke-Management-Plan“, um diesen Sorgen zu begegnen. „Der Plan hat etwas Abhilfe geschaffen“, meint Holder, „wenn wir jedoch viele Brandrodungen durchführen, wird es weiterhin zu Problemen kommen. Landwirte und Wissenschaftler, die das Ökosystem des Graslands genau kennen, wissen, dass Feuer ein natürlicher Umweltfaktor ist, der Teil des Lebens in dieser Region ist.“
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt den Grund für den Auslöser der legendären Viehtriebe in die Grassteppe: 1867 war ein Mastrind in Texas beispielsweise 2 US-Dollar wert. Wurde es nach Chicago transportiert, stieg der Wert dagegen auf 40 US-Dollar. Dieses enorme Gewinnpotenzial veranlasste die Farmer, ihr Vieh vorher auf der Weide zu mästen, bevor es nach Osten transportiert wurde.
„Große Landgebiete, die nicht von Straßen und anderen Baumaßnahmen durchbrochen werden, machen die saisonale Beweidung effizient“, meint Holder. „Viele Familien haben den Wunsch, ihre Höfe über viele Generationen zusammenzuhalten.“ Zusätzlich besteht auch Interesse daran, die Geschichte der Flint Hills zu erzählen. Jedes Frühjahr ist ein ortsansässiger Farmer Gastgeber für ein Konzert des Symphonieorchesters von Kansas City. Daneben bietet das Flint Hills-Center in Manhattan, Kansas, ein umfangreiches Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm für Besucher an.