Tea Time für die Forschung: Zerset­zung im Boden besser verstehen

In Citizen-Science Projekten sammeln Laien welt­weit Daten, um den Kohlen­stoff­kreis­lauf und die biolo­gi­sche Akti­vität im Boden anhand der Zerset­zung von Teebeu­teln besser zu verstehen. Land­wirte unter­stützt die Methode dabei, die Abbau­ge­schwin­dig­keit orga­ni­scher Dünger besser abzu­schätzen.

Die große Heraus­for­de­rung mit der orga­ni­schen Düngung ist es, den rich­tigen Zeit­punkt zu finden, sodass die Nähr­stoffe passend zum Pflan­zen­wachstum frei­ge­setzt werden. Wie rasch Stick­stoff aus diesen Düngern im Boden pflan­zen­ver­fügbar wird, lässt sich jedoch nur schwer abschätzen. Ausge­rechnet Teebeutel können dabei helfen, Zerset­zungs­pro­zesse im Boden besser zu verstehen:

Das ist kein Witz! Mit Grün- und Rooi­bos­tee­beu­teln der Marke Lipton hat nämlich 2013 eine Arbeits­gruppe unter Leitung des Ökologen Joost Keus­kamp die Teebeu­tel­me­thode (auch: Tea Bag Index Methode) entwi­ckelt, mit deren Hilfe auch Laien inter­na­tional stan­dar­di­siert die Boden­ak­ti­vität einschätzen können. Zuletzt vergruben frei­wil­lige Helfer 2024 im Rahmen eines inter­na­tio­nalen Citizen Science-Projekts unge­nutzte Teebeutel in den Böden der Rhön, um sie Wochen später mit einem Zuge­winn an Erkenntnis über die biolo­gi­sche Akti­vität in den Böden wieder auszu­graben.

Was die Teebeutel über den Boden verraten

Geht man nach Anlei­tung vor, lässt sich mit der Teebeu­tel­me­thode kosten­günstig und praxis­taug­lich die Zerset­zungs­ge­schwin­dig­keit einer orga­ni­schen Substanz messen. Und das geht so: Die Teebeutel beider Sorten werden mit einer Fein­waage auf drei Stellen nach dem Komma genau gewogen (leer und gefüllt). Anschlie­ßend wird der gefüllte Teebeutel 8 cm tief im Boden vergraben, sodass das Etikett noch heraus­schaut. Dann findet man die Beutel leichter wieder, wenn man sie nach 90 Tagen wieder ausgräbt.

Teebeutel können dabei helfen, Zerset­zungs­pro­zesse im Boden besser zu verstehen…
… dafür werden sie 8 cm tief im Boden vergraben. Wichtig: Das Etikett sollte noch heraus­schauen, damit man die Beutel leichter wieder­findet, wenn man sie nach 90 Tagen ausgräbt.

Wieder ausge­graben, müssen sie an einem warmen Ort voll­ständig trocknen, bevor man sie erneut wiegt. Der Gewichts­ver­lust zeigt an, wie viel orga­ni­sches Mate­rial die Boden­or­ga­nismen in 90 Tagen umge­setzt haben. Landwirt:innen dürfte es kaum erstaunen, dass der Grüne Tee (C:N=12,8:1) aus Kame­li­en­blät­tern schneller abge­baut wird als der Roiboostee (C:N=60,6:1) aus den Zweigen des Rotbuschs. Die unter­schied­lich schnell abge­bauten Teesorten ermög­li­chen es, den Tea Bag Index zu berechnen: Aus der Zerset­zungs­rate und dem Streu­sta­bi­li­sie­rungs­faktor.

Biolo­gi­sche Zerset­zung oder Dauer­humus

Der Streu­sta­bi­li­sie­rungs­faktor gibt Auskunft darüber, wie viel orga­ni­sche Substanz der Tees die Boden­or­ga­nismen auch über längere Zeit nicht abbauen. Diese stabile Frak­tion entspricht dem Kohlen­stoff, aus dem sich Dauer­humus aufbauen kann. Der Streu­sta­bi­li­sie­rungs­faktor nimmt mit dem Kohlen­stoff­bin­dungs­po­ten­zial des Bodens zu, ist also beispiels­weise in Mooren höher als im tropi­schen Regen­wald. Hohe Boden­tem­pe­ra­turen und ausrei­chend Nieder­schlag begüns­tigen die biolo­gi­sche Zerset­zung – die Abbau­ge­schwin­dig­keit (Zerset­zungs­rate) nimmt zu und die stabile Frak­tion (Streu­sta­bi­li­sie­rungs­faktor) ab. So lag die Zerset­zungs­rate einer Citizen-Science-Studie von 2020 zufolge im kühleren Schweden bei 0,008 bis 0,012 g pro Tag, während sie im wärmeren Öster­reich zwischen 0,012 und 0,015 g täglich lag.

Gleich­zeitig wiesen die schwe­di­schen Böden einen bis zu viermal höheren Streu­sta­bi­li­sie­rungs­faktor auf als die öster­rei­chi­schen. Dank des stan­dar­di­sierten Inhalts der Teebeutel lassen sich die Ergeb­nisse der Methode sogar global verglei­chen. Auf diese Weise können die Umwelt­be­din­gungen, die die Zerset­zungs­ak­ti­vität im Boden beein­flussen, unab­hängig von der Qualität des zu zerset­zenden Mate­rials getestet werden.

Anwen­dung der Teebeu­tel­me­thode in der Land­wirt­schaft

Olav Holst von der Hoch­schule für Nach­hal­tige Entwick­lung Ebers­walde nutzte die Methode 2020 im Rahmen seiner Bache­lor­ar­beit für die Bestim­mung der Zerset­zungs­ge­schwin­dig­keit von Klee­gras­si­lage auf einem bran­den­bur­gi­schen Sand­boden. Er füllte die geleerten Teebeutel mit der Silage und wieder­holte die übrigen Arbeits­schritte. Die Klee­gras­si­lage lag mit einem C/N-Verhältnis von 22,5:1 zwischen den beiden Refe­renz­ma­te­ria­lien. Tatsäch­lich ließen sich anhand der Teebeu­tel­me­thode bei geringem Kosten- und Zeit­auf­wand fundierte Aussagen über die Zersetz­bar­keit der Klee­gras­si­lage im Boden treffen. Nach 14 Tagen waren bereits etwa 40% der orga­ni­schen Masse der Klee­gras­si­lage abge­baut, nach 40 Tagen 70%. „Diese schnelle Zerset­zung der Klee­gras­si­lage lässt auf eine zügige Stick­stoff­ver­füg­bar­keit schließen“, schreibt Holst.

Die Teebeutel werden mit einer Fein­waage auf drei Stellen nach dem Komma genau geworgen – leer und gefüllt. Der Gewichts­ver­lust zeigt an, wie viel orga­ni­sches Mate­rial die Boden­or­ga­nismen in 90 Tagen umge­setzt haben.

Etwa die Hälfte des in der Klee­gras­si­lage enthal­tenen Stick­stoffs wurde inner­halb von 90 Tagen frei­ge­setzt – über­ra­schen­der­weise, obwohl die beob­ach­tete Periode von Trocken­heit, mit einem volu­me­tri­schen Wasser­ge­halt nur knapp über dem perma­nenten Welke­punkt, geprägt war. Land­wir­tinnen und Land­wirte können die Teebeutel vergraben, um die Abbau­ge­schwin­dig­keit orga­ni­scher Dünger, und damit die Nähr­stoff­ver­füg­bar­keit, besser abschätzen oder mitein­ander verglei­chen zu können. Wer möchte, kann die erho­benen Daten online auf der inter­na­tio­nalen Seite des Projekts eintragen. Dort ist auch der Tea Bag Index von anderen Stand­orten hinter­legt, mit denen man die eigenen Ergeb­nisse verglei­chen kann.

Ein globales Projekt für den Klima­wandel

Mithilfe der vielen, auch von Laien gene­rierten Daten wird man in Zukunft den CO2-Kreis­lauf und seine Auswir­kungen auf lokaler, regio­naler und globaler Ebene besser verstehen und einschätzen können. Das ist wichtig, da beim biolo­gi­schen Abbau orga­ni­scher Mate­ria­lien im Boden Treib­haus­gase wie CO2 entstehen. Das Kohlen­stoff­spei­cher­po­ten­tial des Bodens hat demnach Einfluss auf die globale Erwär­mung.

An der Schweizer Univer­sität Zürich hebt man die Teebeu­tel­me­thode mithilfe von Unter­hosen auf das nächste Level: Im Projekt „Beweis­stück Unter­hose“ wurden 2021 unter Leitung von Marcel van der Heijden die immer glei­chen weißen, neuen Baum­woll­slips vergraben, um zu prüfen, ob sich auch die Höschen als stan­dar­di­sierte Methode zur Ermitt­lung der Boden­ak­ti­vität eignen. Diese Weiter­ent­wick­lung der Teebeu­tel­me­thode von Agro­scope und der Univer­sität Zürich war offenbar erfolg­reich, denn auch 2024 vergruben die Schweizer unter dem Motto „Unter­hosen runter!“ wieder Baum­woll­hös­chen für die Wissen­schaft. Warum? Naja, woran hätten Sie mehr Freude: Einen Teebeutel zu vergraben oder eine Unter­hose?