Erfolg­reiche Betriebs­nach­folge durch offenen Dialog

In den Adern der Familie Pearce fließt Unter­neh­mer­blut. Aller­dings war nicht immer einfach, dies zusammen mit dem land­wirt­schaft­li­chen Betrieb an die nächsten Gene­ra­tionen weiter­zu­geben.

Antony, der derzei­tige Leiter der Moat Farm, begrüßt mich auf dem Betriebs­ge­lände am Rande des schnell wach­senden Stoke Mande­ville in Buck­ing­ham­shire. Menschen strömen in Büros ein und aus. Dies waren früher einmal land­wirt­schaft­liche Gebäude, die von Antonys Groß­el­tern genutzt wurden, als sie den Hof noch als tradi­tio­nellen land­wirt­schaft­li­chen Gemischt­be­trieb führten. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass es sich hier um einen Land­wirt­schafts­be­trieb handelt. Der dichte Stadt­ver­kehr und die Bauar­beiten in einigen hundert Metern Entfer­nung scheinen weit, weit weg zu sein.

Die Gene­ra­tionen müssen einander vertrauen.

Antony Pearce

Wir begeben uns in einen kleinen Konfe­renz­raum am Ende des Bauern­hauses, in das Antony und seine Frau Samantha im Jahr 2000 einge­zogen sind. Das Paar hat zwei Kinder: Chloe (14) und Max (11). Vorher lebten hier seine Groß­el­tern, während die Eltern auf einem angren­zenden Gelände wohnten. Antonys Bruder Tim lebt auf einem Hof der Familie am Rande von Burford in Oxford­shire.

Das alte Wohn­haus der Moat Farm.

AUSBILDUNG

Wie bei Chloe und Max gab es auch bei Antony (heute 45) und Tim (43) in ihrer Jugend keinen Druck, sich für den florie­renden land­wirt­schaft­li­chen Betrieb zu enga­gieren. Sie halfen während der Schul­fe­rien, wurden aber ermu­tigt, ihre Ausbil­dung bis zum Abschluss fort­zu­setzen.

Die Möglich­keit und Ermu­ti­gung, außer­halb des Betriebes zu arbeiten und sich weiter­zu­bilden, waren in den kommenden Jahren ein Segen – vor allem, als der Betrieb durch die fort­schrei­tende Verstäd­te­rung unter Druck geriet und die Gesund­heit des Vaters darunter litt.

Zu diesem Zeit­punkt hatte Antony seine Ausbil­dung zum Buch­halter abge­schlossen und Tim lebte in London. Wegen Richards Gesund­heits­zu­stands kamen beide Söhne zurück nach Hause, Tim arbei­tete im Betrieb und Antony konzen­trierte sich auf die juris­ti­schen Aspekte der Enteig­nungs­ver­fahren, die mit Bebau­ungs­maß­nahmen und dem Bau von Umge­hungs­straßen einher­gehen.

An diese Baumaß­nahmen werden sie tagtäg­lich erin­nert. Hinter dem Haus ihrer Groß­el­tern ist eine riesige Schneise inmitten der Land­schaft sichtbar: Die Eisen­bahn­linie HS2 wird in 200 m Entfer­nung an ihrem Grund­stück vorbei­führen und hat 59 ha des Betriebs in Beschlag genommen.

Der Bau einer Eisen­bahn­line nur 200 m vom Hof entfernt verbraucht 59 ha der Betriebs­fläche.

GESCHICHTE DES HOFES

Aber das war nicht immer so. 1931 begann Antonys Groß­vater Dick damit, das Vermächtnis der Familie aufzu­bauen. Er wurde liebe­voll Tricky Dicky genannt, sicherte sich Weide­rechte und begann mit dem Verkauf von Milch. Nur neun Jahre später hatte er die Mittel und den Mut, 40 ha Land in der Nähe von Stoke Mande­ville zu kaufen.

Mitte der 1970er Jahre leiteten Dick und sein Sohn Richard einen 240 ha großen land­wirt­schaft­li­chen Gemischt­be­trieb, während Dicks Frau Eva Trut­hähne für den Weih­nachts­markt züch­tete.

Richard war ein Einzel­kind, sodass die Nach­folge eigent­lich einfach hätte gere­gelt werden können. Doch seine Mutter Eva über­ging ihn und übergab die Moat Farm direkt an Antony.

„Diese zersplit­terte Eigen­tü­mer­struktur versetzte meinem Vater sicher­lich einen ordent­li­chen Dämpfer“, erklärt Antony. „Dadurch wurde seine Kontrolle über den Betrieb geschwächt, was die Verwirk­li­chung seiner Ziele erschwerte.“

Aber für diese Familie ist das Glas immer halb­voll: Die Erfah­rung hat sich für sie ausge­zahlt. Mit ihrem unter­neh­me­ri­schen Instinkt sorgten sie dafür, dass der Fami­li­en­be­trieb heute und in den kommenden Jahren gut gerüstet ist. Er umfasst eine Reihe diver­si­fi­zierter Unter­neh­mungen, die den land­wirt­schaft­li­chen Gemischt­be­trieb in seinem Kern schützen.

Richards und Antonys bevor­zugen Zusam­men­ar­beit und grün­deten im Jahr 2007 ein Maschinen-Joint-Venture. Zwei Jahre später trat Antony in den Vorstand der Joint Venture Farming Group (JVFG) ein, einer Part­ner­schaft, bei der die Mitglieder die finan­zi­elle und physi­sche Leis­tung verglei­chen und so ihre Renta­bi­lität und Effi­zienz stei­gern. Im letzten Jahr grün­dete er zusammen mit seinem Partner Alex Moss das Bera­tungs­un­ter­nehmen Dudley Peve­rill Asso­ciates, welches sich mit der Diver­si­fi­zie­rung land­wirt­schaft­li­cher Betriebe beschäf­tigt.

2.000 Schle­hen­bü­sche wurden für die Gin- Herstel­lung ange­pflanzt.

DER BETRIEB HEUTE

Richard ist immer noch aktiv in die Land­wirt­schaft einge­bunden, um das Tages­ge­schäft kümmern sich aller­dings Tim und Antony. Der Betrieb erstreckt sich in einem Umkreis von 15 km und umfasst 400 ha Eigen­land. Weitere 200 ha werden im Rahmen eines Vertrags bewirt­schaftet.

Noch immer werden hoch­pro­fi­tabel 800 Trut­hähne gemästet und durch den Anbau von 2.000 Schle­hen­sträu­chern wurde der Kontakt zur umlie­genden Bevöl­ke­rung verstärkt, da in dem saiso­nalen Hofladen neben dem selbst produ­zierten Honig nun auch Schle­hen­schnaps verkauft wird – alles unter der Leitung eines starken Teams.

Richard plant nun langsam in den Ruhe­stand zu gehen. Um den Über­gang zu erleich­tern ist Antony in die land­wirt­schaft­liche Part­ner­schaft einge­treten. Antonys Unter­neh­mens­be­rater schlug ihm vor, 10 % seiner Zeit direkt für die Vorbe­rei­tung der Betriebs­über­gabe zu reser­vieren.

Die beste Lern­erfah­rung ist ein Geschäft von innen kennen­zu­lernen, anstatt die Schul­bank zu drücken.

Antony Pearce

Diese Zeit nutzt Antony für einen wöchent­li­chen Betriebs­rund­gang mit seinem Vater. Der Austausch über den jewei­ligen Entwick­lungs­zu­stand einzelner Anbau­früchte waren unglaub­lich produktiv. Richard ist nun über­zeugt, dass Antony tatsäch­lich ein aktiver Land­wirt und nicht nur ein Unter­nehmer nach der Art seines Groß­va­ters Dick ist.

„Mir war immer bewusst, dass mein Vater den anderen Unter­neh­mens­be­rei­chen, die ich im Laufe der Jahre aufge­baut habe, skep­tisch gegen­über­steht“, so Antony. „Aber kürz­lich hat er gemeint, dass ich keine andere Wahl hatte, als auf Diver­si­fi­zie­rung zu setzen, und das hat mir sehr viel bedeutet. Diese Erfah­rung hat mir bewusst gemacht, dass wir der älteren Gene­ra­tion genauso viel Vertrauen entge­gen­bringen müssen wie der nächsten.

Alte Scheunen wurden in Büro­ge­bäude umge­wan­delt.

VERTRAUEN

Die jüngere Gene­ra­tion, Chloe und Max, hat die Liebe zur Natur eben­falls geerbt und zeigt großes Inter­esse an der gemischten Land­wirt­schaft. Antony und Samantha haben den beiden von klein auf eine hohe Arbeits­moral vermit­telt, und sie helfen im Betrieb viel mit.

„Ich glaube, dass Kinder die Frei­heit haben müssen, sich in ihrem eigenen Tempo zu entwi­ckeln und ihre eigenen Inter­essen zu erkunden. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Kinder ihren Weg finden, und sollten ihnen nicht das Gefühl geben, den Betrieb über­nehmen zu müssen, um unser Vertrauen und unseren Respekt zu gewinnen“, erklärt er.

„Am besten lernt man ein Unter­nehmen hautnah kennen, indem man darin aufwächst, anstatt auf der Schul­bank zu sitzen. Zusätz­lich sollte man einen ange­se­henen Kollegen dazu­holen und dem Lernenden als Mentor zur Seite stellen. Das ist für die Entwick­lung eines jungen Menschen von großer Bedeu­tung.“

Kinder benö­tigen Frei­heit.

Antony Pearce

Chloe fährt mit dem John Deere Gator vorbei. „Dies ist ein Fami­li­en­be­trieb, der sich ständig weiter­ent­wi­ckelt: Dieser Gator ist das beste Geschenk, das ich den Kindern machen konnte“, meint Antony. „So haben sie die Möglich­keit, selbst­ständig auf Entde­ckungs­reise zu gehen oder Arbeiten im Betrieb zu erle­digen, während sie gleich­zeitig lernen, Verant­wor­tung zu über­nehmen – und das alles in einer sicheren Umge­bung.“

„Ich werde nur in den Ruhe­stand gehen, wenn es einen fähigen Nach­folger gibt“, fährt er fort. „Er oder sie könnte ein Fami­li­en­mit­glied sein, ein Mitglied in einem Joint Venture oder ein Pächter. Letz­terer ist eine gute Möglich­keit, neben meiner Erfah­rung auch frischen Wind in das Unter­nehmen zu bringen, um es weiter­zu­ent­wi­ckeln.“

„An dieser Stelle kommt das Vertrauen zwischen den Gene­ra­tionen ins Spiel. Niemand hat die Absicht, Fehler zu machen oder falsche Entschei­dungen zu treffen. Wenn wir unser Bestes für sie getan haben, werden auch unsere Kinder ihr Bestes tun. Aber wie so oft kann es zu Reibe­reien kommen, wenn die jüngere Gene­ra­tion beispiels­weise Kredite benö­tigt, um ihre eigenen Geschäfts­in­ter­essen zu verfolgen, während die ältere Gene­ra­tion die Vermö­gens­werte hält.“

Antony Pearce mit seinen Kindern und den Trut­hähnen.

„Wir bewirt­schaften das Land und verbringen unser ganzes Leben damit, unsere Betriebe zusam­men­zu­halten. Für Eltern ist es leicht, einen Land­wirt­schafts­be­trieb gleich­mäßig unter ihren Kindern aufzu­teilen und sich dann zu verab­schieden. Dies kann dazu führen, dass die Kinder zu Kontra­henten werden und die Familie ausein­an­der­ge­rissen wird, sodass der Betrieb aufge­löst werden muss, um alle Erben auszu­zahlen. Ein solcher Erbgang ist nicht wünschens­wert und sorgt für sehr emotio­nale Situa­tionen.“

Wegen der Erfah­rungen seines Vaters plädiert Antony dafür, einen Mediator in Gespräche über die Nach­fol­ge­pla­nung mit einzu­binden. „Die Einbe­zie­hung eines Vermitt­lers bringt den Stein ins Rollen, indem darüber gespro­chen wird, was mit dem Betrieb geschehen soll, wenn der aktu­elle Besitzer stirbt“, erklärt er.

„Die Angst vor der Nach­fol­ge­re­ge­lung ist oft schlimmer als der eigent­liche Prozess. Spre­chen Sie einfach darüber. Sie werden sich schon bald fragen, worüber Sie sich vorher eigent­lich Sorgen gemacht haben.“

Die Angst davor, die Nach­folge zu regeln, ist oft schlimmer als der Prozess an sich.

Antony Pearce

„Und führen Sie dieses Gespräch, bevor Sie in den Ruhe­stand treten, um den zukünf­tigen Einkom­mens­be­darf zu berechnen: Wie hoch muss das Einkommen sein und für wie lange? Erhalte ich im Ruhe­stand zusätz­liche Renten?“

„Es ist immer besser, die Zügel abzu­geben, wenn man selbst und das Unter­nehmen in einem guten Zustand ist und nicht bereits am Tropf hängt“, fügt er hinzu. „Es ist nicht fair, von den Nach­kommen zu erwarten, dass sie die emotio­nale Belas­tung durch den Todes­fall ertragen, während sie sich gleich­zeitig mit der Betriebs­füh­rung vertraut machen müssen.“

EINE LANGFRISTIGE ZUKUNFT

Auf der Moat Farm über­schneiden sich die Inter­essen für Umwelt, Trut­hähne, Land­bau­daten und Kunden­ori­en­tie­rung. Antony konzen­triert sich auf die Verbes­se­rung der Boden­ge­sund­heit durch rege­ne­ra­tive Land­wirt­schaft und den Einsatz von Tech­no­logie zur Stei­ge­rung der Produk­ti­vität. Damit gehen die Verbes­se­rung der Umwelt und der effi­zi­ente Produk­tion Hand in Hand, was wiederum der Verbrau­cher­nach­frage entge­gen­kommt.