Precision FarmingVom Land­wirt zum Klima­wirt

In seinem Gast­bei­trag skiz­ziert Mark­wart von Pentz, Präsi­dent der John Deere Land­ma­schi­nen­sparte, die größten Heraus­for­de­rungen der Land­wirt­schaft und gibt einen Ausblick, wie diese gemeis­tert werden können.

Die Land­wirt­schaft ernährt seit Urzeiten die Bevöl­ke­rung. Aber noch nie wurde die Art und Weise wie Land­wirte Lebens­mittel produ­zieren derart hinter­fragt, wie es aktuell geschieht. Gesell­schafts­po­li­tisch muss die Land­wirt­schaft mehrere Heraus­for­de­rungen gleich­zeitig meis­tern:

  • Die Land­wirte haben mit einem Verlust des Verbrau­cher­ver­trauens zu kämpfen. Die Vorbe­halte gipfeln teil­weise sogar im Bashing der Land­wirte und ihrer Fami­lien.
  • Der EU Green Deal bringt deut­liche Einschrän­kungen der bishe­rigen Wirt­schafts­weise. Viele Betriebe sind dadurch in ihrer Exis­tenz gefährdet.
  • Die Welt­be­völ­ke­rung wächst rapide und die Ernäh­rungs­ge­wohn­heiten ändern sich – zukünftig muss die Land­wirt­schaft bis zu 10 Mrd. Menschen ernähren.
  • Die Land­wirt­schaft steckt in einem Klima-Dilemma: Einer­seits emit­tiert sie Treib­haus­gase, ande­rer­seits ist sie in hohem Maße vom Klima­wandel betroffen.

Diese Aufzäh­lung macht deut­lich: Es besteht ein Span­nungs­ver­hältnis zwischen Kunden­an­sprü­chen, Umwelt­ver­ant­wor­tung, und Wirt­schaft­lich­keit. Die Land­wirt­schaft wird zu häufig als Problem­ver­ur­sa­cher darge­stellt und zu selten werden die Aspekte in den Vorder­grund gestellt, die die Land­wirt­schaft zum Problem­löser machen.

Effi­zi­ente Produk­tion als Schlüssel

Um allen Zielen gerecht zu werden, muss die Land­wirt­schaft zukünftig noch mehr und noch nach­hal­tiger produ­zieren. Der Ertrag und die Wirt­schaft­lich­keit dürfen dabei nicht vernach­läs­sigt werden. Nur so kann die wach­sende Welt­be­völ­ke­rung ausrei­chend ernährt werden. Gleich­zeitig sollten wir verhin­dern, dass Deutsch­land bzw. Europa immer stärker von Lebens­mit­tel­im­porten abhängig wird.

Es muss also gelingen, mit weniger Dünger, Pflan­zen­schutz und Kraft­stoff den glei­chen oder sogar höheren Ertrag zu erzielen.

Es ist wenig bekannt, dass wir bereits heute bei Getreide Netto­im­por­teur sind. Und damit haben wir keinen Einfluss, mit welchen Umwelt­folgen das Import­ge­treide in anderen Welt­re­gionen produ­ziert wird. Dieser Trend hält bereits seit Jahren an. Je mehr Auflagen wir der Land­wirt­schaft in Europa machen, umso höher werden unsere Importe und umso größer wird – global gesehen – der CO2-Fußab­druck. Es muss also gelingen, mit weniger Dünger, Pflan­zen­schutz und Kraft­stoff den glei­chen oder sogar höheren Ertrag zu erzielen. Eine komplexe Aufgabe, für die der grüne Daumen des Land­wirts allein nicht mehr ausreicht.

Der Land­wirt wird immer mehr zum Opti­mierer – Bits & Bytes sind dabei seine wich­tigsten Helfer. Wetter­daten, Boden­karten, Nähr­stoff­werte, Erfah­rungs­daten und vieles mehr muss er geschickt zusam­men­bringen, um daraus agro­no­mi­sche Entschei­dungen abzu­leiten. Dafür brau­chen wir cloud­ba­sierte Lösungen wie das John Deere Opera­tions Center. Denn in der Cloud kann der Land­wirt alle Daten abrufen und verar­beiten – an jedem Ort und zu jeder Zeit.

Mehr Trans­pa­renz für mehr Vertrauen

Mit der Digi­ta­li­sie­rung wird der Ackerbau aber nicht nur ökolo­gisch und ökono­misch nach­hal­tiger. Die Land­wirte erhöhen damit auch die Trans­pa­renz, indem sie ihre Acker­bau­maß­nahmen doku­men­tieren und dem Verbrau­cher offen­legen. Die Nach­weise können helfen das Vertrauen der -Verbrau­cher zurück­ge­winnen. Auch zusätz­liche Umwelt­leis­tungen lassen sich so doku­men­tieren, z.B. was der Betrieb unter­nimmt, um das Klima zu schonen. Damit kann ein inter­es­santer neuer Betriebs­zweig entstehen, über den aktuell sehr intensiv disku­tiert wird: Was, wenn der Land­wirt zum Klima­wirt wird, der CO2 aus der Atmo­sphäre im Boden bindet?

Die Land­wirte erhöhen die Trans­pa­renz, indem sie ihre Acker­bau­maß­nahmen doku­men­tieren und dem Verbrau­cher offen­legen.

Die Land­wirt­schaft in Deutsch­land bindet in jeder Vege­ta­ti­ons­pe­riode ca. 95 Mio. CO2. Das entspricht dem CO2 Ausstoß von ca. 8,4 Mio. Menschen. Diese Menge wird aller­dings durch die Ernäh­rung bzw. Verfüt­te­rung von Getreide, Gras und anderen Früchten zeitnah wieder in die Atmo­sphäre zurück­ge­führt. Fach­leute sehen Poten­tial durch Mehr­erträge und geringe Verluste noch­mals 20 Mio. t CO2 zusätz­lich durch die Land­wirt­schaft zu binden.

Inter­es­sant wäre dieser Effekt, wenn es gelingt, Kohlen­stoff lang­fristig in Form von Dauer­humus im Boden oder z.B. Dämm­ma­te­rialen im Haus- oder PKW-Bau zu spei­chern. Daraus könnte sich für die Land­wirt­schaft ein inter­es­santes Geschäfts­mo­dell entwi­ckeln. Durch welche acker­bau­li­chen Maßnahmen sich der Humus­ge­halt mittel- und lang­fristig stei­gern lässt, wird aktuell intensiv erforscht. Auch für die alter­na­tive Nutzung von Stroh, Kurzum­triebs-Holz und anderen Faser­pflanzen müssen erst noch die entspre­chenden Rahmen­be­din­gungen und finan­zi­ellen Anreize geschaffen werden.

Indus­trie 4.0 auf dem Feld

Sie sehen, die Land­wirt­schaft wird sich in den nächsten Jahren massiv wandeln und wir tun es auch. Als Smart Indus­trial Company unter­stützen wir die Land­wirte als Lösungs­an­bieter, um den Wandel voran­zu­treiben und den Gedanken der Indus­trie 4.0 auf dem Feld zu etablieren. Die innere und äußere Vernet­zung sorgt für effi­zi­en­tere Prozesse und sinkende Betriebs­mit­tel­ein­sätze. Die Land­wirt­schaft ist nicht viel anders als eine Indus­trie­pro­duk­tion im Freien. Nur mit viel mehr Varia­blen (Wetter, Boden­ein­flüsse etc.) und mit einem großen ökolo­gi­schen Fußab­druck.

Schon immer war es den Land­wirten wichtig, dass sie nach­haltig wirt­schaften, um damit die eigene Lebens­grund­lage zu erhalten. Die Land­tech­nik­in­dus­trie kann und wird sie dabei unter­stützen.